Streiks an Unikliniken

NRW-Landtag ermöglicht Entlastungstarif – doch der Konflikt eskaliert

Der neue NRW-Landtag beschließt die Änderung des Hochschulgesetzes als Voraussetzung für einen Tarifvertrag Entlastung an den sechs Unikliniken. Doch Arbeitgeber und Beschäftigte stehen sich in dem seit Wochen dauernden Streit unversöhnlicher denn je gegenüber.

Von Ulli Brünger Veröffentlicht:
Teilnehmer einer Protestdemonstration von verdi halten am Mittwoch in Düsseldorf Plakate in den Händen.

Teilnehmer einer Protestdemonstration von verdi halten am Mittwoch in Düsseldorf Plakate in den Händen.

© Federico Gambarini/dpa

Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Landtag hat den Weg frei gemacht für den seit Monaten von den Beschäftigten der sechs NRW-Unikliniken angestrebten Tarifvertrag Entlastung. Ob es zu einer baldigen Einigung mit den Klinikleitungen kommt, ist aber ungewisser denn je.

Mit den Stimmen der neuen schwarz-grünen Koalition sowie SPD und AfD hat das Plenum am Mittwoch die Änderung des Hochschulgesetzes beschlossen. Nur die FDP votierte gegen die Gesetzesänderung. Sie ist die unabdingbare rechtliche Voraussetzung, damit die Unikliniken aus dem Arbeitgeberverband der Länder (AdL) austreten und eigenständig Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft verdi führen können.

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Ob es in dem seit Monaten währenden Konflikt um bessere Arbeitsbedingungen einen Kompromiss zwischen den schon in der neunten Woche streikenden Beschäftigten und den Krankenhäusern kommt, ist derzeit fraglich. Die Parteien stehen sich unversöhnlich gegenüber. Am Mittwoch spitzte sich der Konflikt sogar weiter zu. Laut verdi zeigen die Arbeitgeber auch nach 15 Verhandlungstagen keinen Kooperationswillen und lehnen Kernforderungen ab.

„Zuspitzung am Verhandlungstisch“

„Mit der gestrigen Erklärung der Arbeitgeber, dass es mit ihnen keine Regelungen geben wird, die real entstehenden Be- und Überlastungssituationen der einzelnen Beschäftigten auszugleichen, stellen die Klinikvorstände den Kern des Tarifvertrags Entlastung in Frage“, stellte Verdi-Landesleiterin Gabriele Schmidt fest. Verdi spricht von einer Zuspitzung am Verhandlungstisch.

Die Arbeitgeber machten bislang nur ein konkretes Angebot für die direkt in der Pflege Beschäftigten. Alle anderen Bereiche sollen nach ihrem Willen nicht verhandelt werden. Man ignoriere laut Verdi überwiegend „die Berufsgruppen außerhalb der Pflege“, obwohl klar sei, „dass auch die Belastung im Krankentransport, im Service, in den Klinik-Kitas, in den Laboren und Ambulanzen nicht mehr aushaltbar ist“.

Die schwarz-grüne Landesregierung müsse ein Machtwort sprechen, denn die Klinikleitungen stellen „jetzt auch die Anerkennung des Flächentarifvertrages strittig“, erläuterte Schmidt. Das Verhalten der Arbeitgeber bezeichnete sie als „Affront gegen die Landesregierung“. Dabei habe Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zugesichert, dass der allgemeine Tarifvertrag, der Gehälter, Urlaub und vieles mehr regelt, unangetastet bliebe.

Laumann will am Donnerstag verdi-Vertreter treffen

Nun liege es an der Regierung sowie „an Laumann persönlich“, den Klinikvorständen deutlich zu machen, dass das Versprechen gelte. Schmidt droht: „Sonst sind wir in einem Dauerkonflikt, dessen Ende nicht absehbar ist.“

Laumann will sich nach dpa-Informationen am Donnerstagmorgen mit Verdi-Vertretern treffen und dann am Vormittag zu den Streikenden vor dem Landtag sprechen. Im Anschluss daran will die Gewerkschaft über den Stand der Verhandlungen informieren.

Die Universitätskliniken in NRW teilten am Mittwoch mit, sie hätten „mehrfach ihr Angebot verbessert“. „Mit dem angebotenen weiteren Personalaufbau in der Pflege sollen die Personalschlüssel an den Unikliniken in NRW auch im europäischen Vergleich ein sehr hohes Niveau erreichen“, heißt es in der Mitteilung. Für die Übergangszeit bis zur Erreichung der neuen Personalschlüssel böten die Unikliniken für alle Pflegekräfte am Bett und Beschäftigte in patientennahen Bereichen „einen sofortigen und bedingungslosen Belastungsausgleich an“.

Unikliniken: Streik-Auswirkungen sind nicht mehr „vermittelbar“

Scharf gehen die Unikliniken indes die Gewerkschaft an: Es gebe kein Verständnis dafür, dass verdi auf einem „bürokratischen, standardisierten Modell anderer Kliniken besteht, das bei Unikliniken nicht ohne weiteres umsetzbar ist“. Die massiven Auswirkungen der Streiks auf die Patientenversorgung in ganz NRW seien „nicht länger vermittelbar und stehen in keinem Verhältnis zum Stand der konstruktiven Gespräche“, heißt es in der Erklärung der Unikliniken vom Mittwochnachmittag.

Neben der rechtlichen Grundlage stand einem Tarifabschluss bislang auch die fehlende Finanzierungszusicherung des Landes für einige Klinik-Bereiche entgegen. Diese Hürde könnte am Donnerstag im Landtag genommen werden, hoffen Verdi und die Klinik-Kräfte.

Die SPD-Fraktion fordert in einem Antrag von der Landesregierung um Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), den betroffenen Unikliniken in Aachen, Bonn, Köln, Düsseldorf, Essen und Münster zuzusichern, dass „das Land die vollständige Refinanzierung des Tarifvertrags Entlastung sicherstellt“ – und dies „planungssicher und transparent im Landeshaushalt verankert“. (dpa)

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