Brandenburg

Nonnemacher: „Strenge Regeln für Kliniken schaden ländlicher Versorgung“

Wenn ständig verschärfte Auflagen dazu führen, dass immer mehr Patienten nach Berlin verlegt werden müssen, sei das für die Menschen in der Region kontraproduktiv, kritisiert die brandenburgische Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher.

Benjamin LassiweVon Benjamin Lassiwe Veröffentlicht:
Bundesvorgaben eins zu eins vor Ort umzusetzen, macht die Versorgung in der Region manchmal schwierig, meint Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher, hier vor wenigen Tagen bei einem Besuch der Ruppiner Kliniken.

Bundesvorgaben eins zu eins vor Ort umzusetzen, macht die Versorgung in der Region manchmal schwierig, meint Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher, hier vor wenigen Tagen bei einem Besuch der Ruppiner Kliniken.

© Paul Zinken / dpa

Potsdam. Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hat die immer höheren Vorgaben von Krankenkassen und Gemeinsamem Bundesausschuss für die Krankenhausversorgung kritisiert.

Im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ nannte sie als Beispiel die Perinatalzentren, wo sehr detaillierte Vorgaben gemacht würden, die auf der einen Seite der Qualitätssicherung dienten, die „auf der anderen Seite aber auch einen erheblichen Selektionsdruck auslösen“.

Im brandenburgischen Eberswalde gebe es das Werner-Forsmann-Klinikum, das fast alle Kriterien eines Perinatalzentrums erfülle. Weil ein Kriterium fehle, könne es nun sein, dass dieser Klinik der Status des Perinatalzentrums verloren gehe.

Teilweise ungeahnte Auswirkungen

Dies hätte aber auch Auswirkungen auf eine andere Klinik im 65 Kilometer entfernten Templin. Dort laufe ein Modellprojekt zur ambulant-stationären Versorgung.

„Auch in Templin wollen wir ein Angebot von Geburtshilfe und kinderärztlicher Versorgung aufrechterhalten – und im Hintergrund steht ein großer Versorger, der mit Telemedizin und mit dem raschen Griff zum Telefonhörer einfach zur Verfügung steht“, sagte Nonnemacher.

Dazu müsse aber auch das Back-up gewährleistet sein. „Und wenn die Krankenkassen nun wegen strenger Auslegung der Vorgaben des GBA zum Beispiel Eberswalde den Status des Perinatalzentrums entziehen, haben wir eben auch ein Problem, unseren Versorgungsauftrag in Templin so umzusetzen, wie wir das als Landesregierung geplant hatten.“

Bundesgesetzgebung verliert Auswirkungen vor Ort aus dem Blick

Durch die Kassen und den GBA würde ein Kriterium nach dem anderen immer wieder hoch gesetzt. „Wenn das dann dazu führt, dass Patienten immer wieder nach Berlin verlegt werden, weil bei unseren ländlichen Krankenhäusern einer Sparte nach der anderen die Zulassung und die Kompetenz entzogen wird, kann das doch nicht im Sinne des Erfinders sein.“

Nonnemacher betonte, dass sie als Medizinerin sehr viel Sympathie für Qualität habe. „Ich finde, dass die Frage danach, wie oft eine Klinik einen Eingriff macht und wie hoch die Komplikationsraten sind, wichtig ist“, so Nonnemacher.

„Aber es kann auch nicht sein, dass die Krankenhausstrukturen zum Beispiel in NRW durch die Bundesgesetzgebung bereinigt werden, und Brandenburg mit seinen 54 Krankenhäusern dann zum Kollateralschaden wird.“

Sympathie für Schwesigs Bundesratsinitiative

Im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ äußerte Nonnemacher zudem „große Sympathien“ für die von Mecklenburg-Vorpommern angeregte Abkehr von den Fallpauschalen in der Krankenhausfinanzierung.

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„Unser Vergütungssystem geht immer mehr in Richtung Fallzahlen – und setzt damit Fehlanreize“, sagte Nonnemacher. Vorhaltekosten würden nicht adäquat abgebildet. Bundesweit gerieten etwa Geburtshilfekliniken und Kinderkliniken massiv unter Kostendruck.

„Das Krankenhaus, das sich Geburtshilfe und Kinder- und Jugendmedizin noch leisten kann, schießt oft extrem viel Geld zu: Rund um die Uhr einen Kreißsaal zu besetzen mit Fachgynäkologen, mit Geburtshelfern, mit Hebammen ist wahnsinnig teuer“, sagte Nonnemacher. „Gerade in Bereichen, wo die demografische Entwicklung zuschlägt, kann man keine Fallzahlen steigern.“

Man müsse sich deswegen fragen, „ob wir es uns auf Dauer leisten können, Versorgungsangebote für die Bevölkerung in Frage zu stellen, nur weil das Abrechnungssystem es so vorgibt.“

Differenziertes System nötig

Allerdings dürfe man dabei nicht erneut in eine falsche Richtung laufen. „Als ich noch Assistenzärztin war, lautete die Devise: Nur ein belegtes Bett ist ein gutes Bett“, sagte Nonnemacher.

Auch das habe Fehlanreize gesetzt: Damals seien Liegezeiten immer weiter ausgeweitet worden, weil man darüber Einkünfte generiert habe. Heute seien Liegezeiten dagegen kurz geworden, weil das Geld anders verdient werde.

„Manche sprechen schon von der „Blutigen Entlassung“, wo Patienten in einem Zustand nach Hause geschickt wurden, wo sie noch gar nicht in der Lage sind, sich mit Hilfe der Angehörigen weiterzuversorgen.“

Das Fazit der Ministerin: „Es braucht ein differenziertes System, das nicht komplett gegenteilige Anreize gibt.“

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