Hessen

Privatisiertes Uniklinikum erhält Millionenspritze vom Land

Einst hatte Hessen das UKGM an einen Klinikkonzern verkauft, um die Landeskasse von Investitionen zu entlasten. Jetzt schießt das Land wieder eine halbe Milliarde zu. An der Gegenleistung gibt es Kritik.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:
Das Land Hessen sieht sich genötigt, mit einer halben Milliarde Euro über die kommenden zehn Jahre die Zukunft des Uniklinikums Gießen-Marburg zu sichern.

Das Land Hessen sieht sich genötigt, mit einer halben Milliarde Euro über die kommenden zehn Jahre die Zukunft des Uniklinikums Gießen-Marburg zu sichern.

© Sebastian Gollnow / dpa / picture alliance

Gießen. Das Land Hessen schießt fast eine halbe Milliarde Euro für Investitionen in das einst privatisierte Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM). In einer Absichtserklärung zurrten die schwarz-grüne Landesregierung, UKGM sowie der UKGM-Eigner Rhön-Klinikum AG und dessen Muttergesellschaft Asklepios einen Zehn-Jahres-Plan fest, der von 2022 jährliche Zahlungen aus der Landeskasse vorsieht. Diese beginnen zunächst mit 45 Millionen Euro und steigen dann um vereinbarte Prozentsätze bis auf gut 54 Millionen Euro im Jahr 2031, wie Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne) am Dienstag in Gießen mitteilte.

Im Jahr 2006 war das UKGM nach vorheriger Fusion der Uniklinika Gießen und Marburg privatisiert und schließlich nach einem Bieterwettbewerb an die Rhön-Klinikum AG für 112 Millionen Euro verkauft worden. Unterlegener Mitbieter war seinerzeit auch der Klinikkonzern Asklepios, der dann später Rhön-Klinikum sukzessive komplett übernahm.

„Zurückschauen bringt nichts“

Grund für die erste und bis heute einzige Veräußerung eines Universitätsklinikums in Deutschland unter der von Ministerpräsident Roland Koch geführten CDU-Alleinregierung war die Befreiung des Landes von angestauten wie weiter anfallenden Investitionszahlungen. Dass diese nun doch wieder in erheblichem Maß anfallen, nennt CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier „eine Entscheidung für eine gesicherte Zukunft: Wir schaffen Planungssicherheit und Handlungsfähigkeit für das UKGM“. Zurückschauen bringe nichts.

Lesen sie auch

Grünen-Ministerin Dorn, deren Partei damals vehementer Gegner des Verkaufs war, betonte mittlerweile als Koalitionspartner der Union zwar, sie stand und stehe weiter kritisch der Privatisierung gegenüber, „aber als Ministerin muss ich im Hier und Jetzt verantwortlich handeln“. Im Gegenzug für die Landesmillionen verzichte das UKGM grundsätzlich auf betriebsbedingte Kündigungen und die Ausgliederung von Betriebsteilen, berichtete Dorn.

Zudem gelte wieder die sogenannte Change-of-Control-Klausel, die dem Land für den Fall eines erneuten Verkaufs des UKGM ein Vorkaufsrecht einräumt oder eine Mitbestimmung bei der Käuferauswahl. Im ersten Fall führten die investierten (Steuer-)Millionen zu einer Kaufpreisreduktion, so Dorn, im zweiten Fall zu einer Rückzahlpflicht für den Erwerber. Eventuelle Gewinne müssten zudem im UKGM thesauriert werden.

Landesanteile werden nicht erhöht

Die Linken im hessischen Landtag kritisierten, dass mit der Investitionsvereinbarung die Landesanteile am UKGM nicht erhöht wurden – die liegen seit 2006 bei fünf Prozent. Der öffentliche Einfluss werde nicht ausgebaut, das Klinikum bleibe in der Hand einer Aktiengesellschaft und damit Spielball auf den Finanzmärkten, so deren Fraktionschef Jan Schalauske. „Wenn das Land eine halbe Milliarde in das UKGM investiert, muss es sich auch ein angemessenes Mitspracherecht beim künftigen Kurs des Klinikums sichern“, verlangte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dr. Daniela Sommer.

Dr. Christian Höftberger, Vorstandsvorsitzender von Rhön-Klinikum, wies darauf hin, allein die 45 Millionen Euro jährlich reichten nicht aus, sie seien nur Teil der notwendigen Investitionen. Was der Konzern zusätzlich investiere, „können wir heute in Euro nicht beziffern“, so Höftberger auf Nachfrage.

80 Millionen Euro im Jahr nötig

Einen Hinweis lieferte allerdings Professor Werner Seeger, Ärztlicher Geschäftsführer des UKGM: Etwa 80 Millionen Euro im Jahr brauche das UKGM für neue medizintechnische Geräte und bauliche Vorhaben. Laut Dorn sind die 45 Millionen des Landes gesplittet in 30 Millionen für bauliche Investitionen und 15 Millionen für Medizintechnik. Seeger wies auch auf eine Krux der Rhön-Investitionen hin – die seien nämlich zuletzt nur noch als Kredite erfolgt, dies es abzuzahlen gelte, so dass das Haushaltsjahr der UKGM immer mit einem Minus starte.

Für die Philipps-Universität Marburg sagte deren Präsidentin Professor Katharina Krause, Spitzenmedizin brauche Verlässlichkeit, „damit die untrennbare Einheit von Forschung, Medizinerausbildung und Krankenversorgung Früchte tragen kann“. Für die Universitätsmedizin in Mittelhessen sei diese Perspektive auf die kommenden fünf bis zehn Jahre daher zu begrüßen.

Mehr zum Thema

Praxisübernahme

Wie es einer Kollegin nach dem ersten Jahr der Niederlassung geht

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 19.01.202223:31 Uhr

Auf Twitter

Thomas G. Schaetzler - @ThomasGSchtzler
Antwort an @aerztezeitung

Variante von "Gewinne privatisieren/Kosten sozialisieren":

UKGM hat jahrelang Gewinne für Anteilseigner eingefahren/notwendige Daseins- und Krankheitsvorsorge trägt der Steuerzahler. 500 Mio ist keine Millionenspritze sondern eine 1/2 Milliarden-Bazooka!

Mf+kG, Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Sonderberichte zum Thema
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Eine Ärztin führt eine körperliche Untersuchung bei einem Baby durch.

© Anna Ritter / stock.adobe.com

Sorgfältige Abklärung stets erforderlich

Hämatome bei Säuglingen: Immer Anzeichen für Kindesmisshandlung?

Steckt da die richtige Karte drin, oder muss sie etwa zum Jahreswechsel ausgetauscht werden? Die KBV warnt Vertragsarztpraxen vor Untätigkeit bei älteren Konnektoren und Arztausweisen, weil anderenfalls der TI-Zugang blockiert wäre.

© Ingenico Healthcare

Austausch notwendig

KBV rät dringend: Jetzt Ersatz für ältere Konnektoren beschaffen