Wiederbelebungstraining

Schüler werden fürs Reanimieren fit gemacht

Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin lud zum Wiederbelebungstraining mit Puppe „Anne“ ein.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Vorbereitung auf die Lebensrettung: Zwei Schülerinnen lassen sich in den Hamburger Messehallen von einer Helferin erklären, worauf sie bei der Wiederbelebung achten müssen. Anschließend probten sie mit 220 Mitschülern im Takt.

Vorbereitung auf die Lebensrettung: Zwei Schülerinnen lassen sich in den Hamburger Messehallen von einer Helferin erklären, worauf sie bei der Wiederbelebung achten müssen. Anschließend probten sie mit 220 Mitschülern im Takt.

© Dirk Schnack

Hamburg. „Man soll kein Glotz-Frosch sein“ – eine Schülerin brachte auf den Punkt, was man auf keinen Fall tun sollte, wenn ein Mensch umkippt und das Bewusstsein verliert. Denn einfach nur zuschauen und nichts tun, ist so ziemlich die einzige falsche Reaktion, die man in solch einer Situation zeigen kann.

220 Schüler aus zehn Hamburger Schulen wissen seit Dienstag nicht nur das, sie lernten in den Messehallen auch aktiv zu helfen. Einen Tag, bevor 6000 Experten auf dem Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) an gleicher Stelle über Organspende, Kinderintensivmedizin und Pflegepersonaluntergrenzen diskutieren, gehörte die Messehalle den Kindern.

Die DIVI hatte zum Wiederbelebungstraining der Puppe „Anne“ eingeladen. Vor der Praxis jedoch die Theorie: Die Schüler bekamen Antworten auf Fragen wie „Warum brauchen wir einen Kreislauf, warum kommt es zum Herz-Kreislauf-Stillstand, warum ist das gefährlich und wie lange dauert es, bis ein Rettungswagen kommt?“

Alles was man braucht, um Menschenleben zu retten, sind zwei Hände. Wiederbeleben ist kinderleicht, sogar für Erwachsene.

Professor Bernd Böttiger, DIVI-Kongresspräsident

Die Antworten zeigten, dass viele Schüler in der Theorie schon ganz gut vorbereitet waren. Was aber ist konkret zu tun bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand? „Ihr könnt nichts falsch machen“, versicherte ihnen Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), die sich anschließend selbst als Reanimateurin bei „Anne“ versuchte. Sie nahm den Kindern auch die Angst, dass sie den Bewusstlosen schaden können. „Auch wenn es knackt – ein Mensch, dem ihr das Leben rettet, wird euch dankbar sein.“

Atmung an der „Mini-Anna“ kontrollieren

Wie das Leben retten geht, zeigten Kongresspräsident Professor Bernd Böttiger und zahlreiche Helfer aus Krankenhäusern und von Hilfsorganisationen wie Deutsches Rotes Kreuz oder Johanniter. Jeder Teilnehmer hatte eine „Mini-Anne“, an der sie die Atmung kontrollieren, den richtigen Punkt für die Druckmassage finden und anschließend versuchen konnten, rund 100 Mal pro Minute zu drücken.

Warum das so wichtig ist, erläuterte Böttiger den Schülern ganz ohne Fachausdrücke. „Alles was man braucht, um Menschenleben zu retten, sind zwei Hände“, machte er den Kindern klar. Und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Wiederbeleben ist kinderleicht, sogar für Erwachsene.“

Böttiger machte den Kindern deutlich, dass es eben nicht ausreicht, Hilfe zu holen. „Bei einem plötzlichen Herzstillstand ist das erste Glied in der Rettungskette das wichtigste – der Laie.“ Da nach Angaben der Fachgesellschaft ein Herzstillstand zu mehr als 60 Prozent von Laien beobachtet wird, soll dessen Fähigkeit zu helfen, besser genutzt werden. In der Zeit, bis professionelle Retter vor Ort sind, sollen Laien aktiv werden. „Wenn diese sofort mit der Herzdruckmassage beginnen, verdreifacht sich die Überlebensrate. Wüssten mehr Menschen, wie sie genau helfen können, würden mehr als 10.000 Menschenleben pro Jahr in Deutschland zusätzlich gerettet werden“, so Böttiger.

Wiederbelebung muss wie Fahrradfahren sitzen

Weil er Überlebenstraining als Bürgerpflicht betrachtet, setzt er mit der Schulung bei den Kindern an. Sein Ziel: Der Ablauf der Wiederbelebung muss den Laien wie Fahrrad fahren oder Schwimmen in Fleisch und Blut übergegangen sein. Das geht am leichtesten im Takt von Musik. Eine Grundschule hatte ein eigenes Lied mitgebracht, zu dessen Takt eine Helferin „Anne“ wiederbelebte. Doch es eignet sich auch andere Musik. „Stayin’ Alive“ passt nicht nur vom Text, sondern auch vom Takt, wie die Kinder schnell bei der gemeinsamen Übung an ihren persönlichen „Mini-Annes“ merkten.

Die 220 Schüler können jetzt retten – sie können aber auch helfen, ihr Wissen weiter zu verbreiten. Böttigers Hausaufgabe für diesen Tag: Jeder nimmt seine „Mini-Anne“ mit nach Hause und zeigt innerhalb der nächsten 14 Tage mindestens zehn Menschen aus Familie und Freundeskreis, wie man Menschen wiederbelebt – statt nur zu „glotzen“.

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