Ergebnis erstaunt Forscher

Wie das Coronavirus nach Großbritannien kam

Von wegen „Patient 0“: Vor allem von Reisen wurde SARS-CoV-2 wohl aus bestimmten Ländern nach Großbritannien mitgebracht. Das legen zumindest die Daten einer Feintypisierung der Erreger von über 20.000 Infizierten nahe.

Veröffentlicht:
Noch im März kamen täglich 20.000 Reisende aus Spanien mit dem Flugzeug in Großbritannien an.

Noch im März kamen täglich 20.000 Reisende aus Spanien mit dem Flugzeug in Großbritannien an.

© NicoElNino / stock.adobe.com

Oxford. Der Ausbruch von Infektionen mit SARS-CoV-2 ist in Großbritannien und Nordirland nicht von einem „Patienten 0“ ausgegangen, berichten Forscher des „COVID-19 Genomics UK consortium“ (Cog-UK). Nach Feintypisierung der zirkulierenden Erreger und der Analyse von Reisebewegungen sei vielmehr davon auszugehen, dass das Virus in der Frühphase der Pandemie über 1300-mal von Reisenden unabhängig voneinander in das UK mitgebracht wurde. Die meisten Erreger kamen dabei offenbar aus Europa und die wenigsten aus China. Die Forscher schätzen, dass etwa 34 Prozent der aufgedeckten Infektionsketten ausgelöst wurden durch ankommende Reisende aus Spanien, 29 Prozent aus Frankreich, 14 Prozent aus Italien und 23 Prozent aus anderen Ländern.

Allerdings: Die Cog-UK-Forscher um Professor Oliver Pybus von der Universität Oxford haben ihre Studie bisher nur als Preprint-Version auf „virological.org“ publiziert. Die Ergebnisse sind daher nur als vorläufig zu betrachten, bis die Studie den Begutachtungsprozess („peer review“) durchlaufen hat.

Weniger als 0,1 Prozent der Erreger stammten aus China

Die Wissenschaftler haben aus Proben von über 20.000 Briten mit COVID-19 die Erbanlagen der einzelnen Viren analysiert und daraus einen Stammbaum der verschiedenen eingeschleppten Erreger angefertigt. Aus den Daten schließen die Forscher, dass die Viren von mindestens 1356 verschiedenen Quellen stammen. Weniger als 0,1 Prozent der analysierten Erreger kamen dabei offenbar aus China. Stattdessen war die Epidemie vor allem befeuert worden durch Reisende aus Italien bis Ende Februar, aus Spanien Anfang bis Mitte März und anschließend bis Ende März aus Frankreich, berichten die Forscher.

„Wir waren überrascht, wie sehr der Prozess im Fluss war und sich die Raten und Quellen der Erreger bei der Einschleppung im Verlauf von Wochen rapide verändert haben“, wird Studienautor Pybus in einem Bericht der „BBC“ zitiert. Der „Lockdown“ habe die Ausbreitung der Viren massiv eingedämmt und der Effekt halte bis heute an.

Durch „Lockdown“ gingen Einschleppungen massiv zurück

Nach Schätzungen der Forscher wurden 80 Prozent der initialen Fälle zwischen Ende Februar und Ende März eingeschleppt – also in der Zeit vor dem „Lockdown“ in Großbritannien. Danach sei die Zahl der Virusimporte rapide zurückgegangen.

Nach den Studiendaten habe das umstrittene Fußballspiel zwischen Liverpool and Atlético Madrid am 11. März wahrscheinlich nur wenig Einfluss auf das Virusgeschehen in Großbritannien gehabt, so die Forscher. So seien zwar 3000 britische Fans zu dem Spiel nach Spanien geflogen, zur gleichen Zeit aber täglich noch 20.000 Flugreisende aus Spanien im UK angekommen. (eis)

Mehr zum Thema

Vor dem World Health Assembly

WHO-Pandemieabkommen noch lange nicht konsensfähig

Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen