Bund und Länder beraten über Dioxin-Skandal

BERLIN (dpa). Die Agrar- und Verbraucherminister der Länder haben am Dienstag auf einer Sondersitzung mit Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) über Konsequenzen aus dem Dioxin-Skandal beraten. Aigner hat einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt und dringt auf schärfere Kontrollen und mehr Auflagen für Futtermittelhersteller.

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Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (Mitte) bei der Sondersitzung mit ihren Länderkollegen am Dienstag.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (Mitte) bei der Sondersitzung mit ihren Länderkollegen am Dienstag.

© dpa

Bei einigen Punkten wie der Trennung der Fettproduktion oder der Zulassungspflicht für Futtermittelbetriebe zeichnet sich Einigung unter den Ländern ab. Allerdings droht Widerstand gegen Aigners Forderung nach mehr Bundeskompetenz bei den Kontrollen. Sie sind Ländersache.

Aigner rief die Länder kurz vor der Sondersitzung zu einem gemeinsamen Handeln mit dem Bund auf. "Die Leute erwarten von uns Lösungen - ich habe konkrete Vorschläge", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. "Mein Aktionsplan deckt sich in vielen Punkten auch mit den Vorstellungen von SPD und Grünen." 

 "Die Kontrollpraxis ist in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich", sagte Aigner. "Aber ich erkenne den gemeinsamen Willen, zu mehr Einheitlichkeit und zu höherer Sicherheit für die Verbraucher zu kommen."

In Deutschland sind wegen des Skandals derzeit noch 939 Höfe gesperrt, vier weniger als am Sonntag. In Niedersachsen waren es unverändert 879 Betriebe, in Nordrhein-Westfalen mit 53 Höfen drei weniger, in Hessen wurde ein Hof freigegeben.

In Mecklenburg-Vorpommern lag die Zahl gesperrter Höfe weiter bei zwei, in Brandenburg war es nach wie vor einer. Die Mehrzahl sind Schweinemäster.

Niedersachsens künftiger Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) plant einen Neustart in der Agrarpolitik des Landes. In der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" kündigte er an, er werde die Kontrollsysteme erneuern, den Tierschutz verbessern und auch vor personellen Konsequenzen nicht Halt machen.

Lindemann war von Ministerpräsident David McAllister (CDU) zum Nachfolger der zurückgetretenen Astrid Grotelüschen berufen worden. Er wird am Mittwoch vor dem Landtag in Hannover vereidigt.

Der designierte Minister bekannte sich zu schärferen Kontrollmechanismen, wie sie der vorige Woche von Aigner in Berlin vorgestellte Zehn-Punkte-Plan vorsieht. Nur mit einem perfekten Kontrollsystem lasse sich Vertrauen wieder herstellen.

Der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Dienstag) sagte Lindemann: "Mir scheint, dass die Futtermittelkontrolleure derzeit ein sehr breites Aufgabenfeld haben. Da stellt sich die Frage, ob man nicht nur die Zahl der Kontrolleure heben muss, sondern auch die Zahl der Aufgaben reduzieren sollte, damit die Kontrolleure sich auf ihre Kerngeschäft konzentrieren können: die Futtermittelkontrolle."

Der Verbraucherschutzminister in Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel (Grüne), erhob Vorwürfe gegen die schwarz-gelbe Bundesregierung. Diese weigere sich bislang, "das risikoreiche und tierverachtende System" der Lebensmittel-Herstellung grundsätzlich in Frage zu stellen, sagte er der "Frankfurter Rundschau".

Die Regierung stecke "mit der Agrarindustrie unter einer Decke. Sie wiederholt, was die Lobby-Verbände der Futtermittelhersteller ihr flüstern."

Das hätten die europaweiten Beratungen über die Subventionen gezeigt. Von einer Verschiebung der Kontrollkompetenzen weg von den Ländern hin zum Bund, wie von Aigner vorgeschlagen, hält Remmel nichts.

Die Bundestags-Grünen plädieren für einen Notfallfonds für Landwirte. In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag) sagte die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion, Bärbel Höhn, die größte Sorge müsse Landwirten gelten, die unverschuldet in finanzielle Nöte geraten seien. Komme es zu Skandalen, werde aus dem Fonds der Schaden bezahlt.

Ansonsten laufe man Gefahr, dass ein Betrieb in die Insolvenz geht, sich unter einem neuen Namen neu gründet ­ und sich aus der Verantwortung zieht.

Um Lebensmittelskandale besser verhindern zu können, hält Höhn einheitliche Vorgaben für die Bundesländer für unumgänglich. "Dringend notwendig ist eine Positivliste, die festlegt, was ins Futtermittel gelangen darf."

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