Vorwürfe werden laut

Die Bundesliga und der Dopingsumpf

Im Profifußball soll es in den 70er und 80er Jahren Anabolika-Doping gegeben haben, berichtet ein Mitglied einer Doping-Untersuchungskommission. Unter Verdacht stehen der VfB Stuttgart und der SC Freiburg. Die Vorwürfe sorgen für einen Aufschrei - die Beschuldigten dementieren.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Heute normal, vor 35 Jahren undenkbar: Dopingkontrolleure in der Zweiten Bundesliga.

Heute normal, vor 35 Jahren undenkbar: Dopingkontrolleure in der Zweiten Bundesliga.

© Hessland / imago

NEU-ISENBURG. Als Fußball-Nationaltorwart Toni Schumacher 1987 sein berühmtes Buch "Anpfiff" veröffentlichte, hätte er sicher nicht ahnen können, was er sich mit dieser Autobiographie einbrocken würde.

"Mit meinem kleinen R 5 habe ich als ganz junger Spieler ein halbes Dutzend unserer großen Spieler zu einem Kölner Arzt gebracht. Bei dem holten sie sich vor wichtigen Spielen ihre Pillen und Spritzen", schrieb Schumacher und breitete ausführlich seine Erfahrungen über unerlaubte Praktiken zur Steigerung der Leistungsfähigkeit aus.

Wer solche schlechten Nachrichten überbringt, hatte zumindest damals schlechte Karten. Stante pede musste er das Tor sowohl in der Nationalmannschaft als auch beim 1. FC Köln räumen.

"Systematisches Doping"

Seit Montag werden Erinnerungen an Schumachers Autobiographie wach. Grund ist ein Sondergutachten der Untersuchungskommission zur Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit an der Universität Freiburg, das für großen Wirbel sorgt.

Der Vorwurf: In der Bundesliga soll es in den 1970er und 1980er Jahren systematisches Anabolika-Doping gegeben haben. In den Fokus rücken dabei der VfB Stuttgart und der FC Freiburg. Und einmal mehr auch der frühere Freiburger Sportmediziner Dr. Armin Klümper.

Klar ist: Die Kommission hat unterschiedliche Auffassungen im Detail. Gremiumsmitglied Andreas Singler schrieb in einer offenbar nicht mit der Kommission abgestimmten Mitteilung, dass sich Anabolika-Doping "in systematischer Weise" anhand neuer Aktenbestände "erstmals auch für den Profifußball in Deutschland sicher beweisen" lasse.

Eine Einschätzung, die der Pharmakologe Professor Fritz Sörgel, der ebenfalls der Kommission angehört, so nicht ganz teilen mag.

"Systematisches Doping ist ein sehr schwerer Vorwurf, der für Systeme insbesondere unter dem Einfluss der Politik gilt", erklärte Sörgel am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. "Das kann man aus den Unterlagen nicht unbedingt ableiten."

Gleichwohl sieht auch Sörgel dringend Handlungsbedarf und nimmt vor allem den DFB in die Pflicht, der sich in Sachen Doping nicht länger vor der Vergangenheit verstecken dürfe .

Der VfB Stuttgart hat sich inzwischen von den Vorwürfen distanziert. Der Sportmediziner Armin Klümper sei zu keiner Zeit Vereinsarzt beim VfB gewesen, heißt es in einer Mitteilung. Der frühere Meister-Torwart Helmut Roleder wies ebenso Vorwürfe zurück wie die Ex-Profis Karlheinz Förster und Karl Allgöwer.

"Wir waren weit entfernt, über Doping nachzudenken", sagte Roleder. "Ich war zwar bei Dr. Klümper, habe mit diesen Dingen aber nie etwas zu tun gehabt", stellte Allgöwer klar.

Singler allerdings wird in der "Bild" so zitiert: "Klümper schickte die Präparate an den Masseur oder ließ sie dorthin schicken. Beim VfB bezahlte der Verein die Rechnung."

Scharfe Gegenwehr kommt auch vom SC Freiburg, der damals in der zweiten Liga spielte. Nachforschungen der Kommission zufolge ist beim SC "eine Anabolika enthaltende Medikamentenlieferung auf Veranlassung" von Klümper überliefert.

"Der Sport-Club als Bundesliga-Verein erteilt jeglichen Maßnahmen zu Medikamentenmissbrauch und unerlaubter Leistungssteigerung eine klare Absage", stellen SC-Vertreter klar und signalisieren Kooperationsbereitschaft. Der Verein sicherte der Kommission eine umfassende Unterstützung bei der Aufklärung zu.

Auch Schumacher reagiert

Die neuen Erkenntnisse zum Doping wurden in einem 60seitigen Sondergutachten zusammengefasst. Die Kommission werde darüber beraten, ob sie diesen Text als Zwischenbericht vielleicht noch vor Abschluss sämtlicher Arbeiten veröffentlichen wolle, so Singler.

Auch Toni Schumacher hat inzwischen auf den Bericht reagiert: "Ich denke, der heutige Fußball in Deutschland ist sauber", sagte er. Das sieht Professor Wilhelm Schänzer, Leiter des Instituts für Biochemie in Köln, nicht anders.

Schumachers Enthüllungen hatten Folgen: Ab 1988 wurden in der Bundesliga regelmäßig Doping-Kontrollen angeordnet. Zunächst waren es Urinproben nach Spielende, ab 1995 kam es dann auch zu Kontrollen im Training. Ende der 80er Jahre wies die Statistik an die 100 Kontrollen pro Saison aus , in der vergangenen Spielzeit waren es schon 2200.

Viele Jahre teilten sich der DFB und die Nationale Antidopingagentur (Nada) die Arbeit. Erstmals wurden 2013/14 auch Bluttests vorgenommen. Ab der neuen Saison übernimmt die Nada alle Tests. Und die Nationalspieler müssen dann auf den Tag genau angeben, wo sie sich aufhalten und wie sie erreichbar sind.

Die Freiburger Doping-Kommission richtet ihren Fokus im übrigen nicht allein auf die Fußballer. Auch der Bund Deutscher Radfahrer gerät heftig unter Beschuss - ein völlig anderes Kapitel der deutschen Dopinggeschichte, in der immer noch allzu viel im Dunkeln liegt. (mit dpa)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: DFB steht gewaltig unter Druck

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Überforderung und Erschöpfung

Krank zur Arbeit – das erhöht das Fatigue-Risiko

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Elektronische Patientenakte

So steht es um die ePA in den Krankenhäusern

Lesetipps
Dreidimensionale Darstellung einer Röntgenaufnahme der Vorderansicht eines Menschen mit Körperkonturen und farblich hervorgehobenen aufsteigenden Dickdarm.

© Matthieu / stock.adobe.com

Fallbericht

Starker Verdacht auf Kolonkrebs – und das steckte dahinter