Ärzte, Kliniken und Medizintechnik

Die großen Unbekannten für Medien?

Gesundheitswirtschaft und Medien - eine Dichotomie? Dieser kniffligen Frage gingen auf dem Hauptstadtkongress in Berlin vergangene Woche Experten aus beiden Branchen nach.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Sehen nicht nur Hausaufgaben für Journalisten: Teilnehmer der Diskussion über Medien und Gesundheitswirtschaft beim Hauptstadtkongress.

Sehen nicht nur Hausaufgaben für Journalisten: Teilnehmer der Diskussion über Medien und Gesundheitswirtschaft beim Hauptstadtkongress.

© Pilick

BERLIN. Wie spiegelt sich die wachsende Bedeutung der Gesundheitswirtschaft in den Medien wider? Dieser Frage gingen Journalisten im Rahmen des Hauptstadtkongresses in einer Dialogveranstaltung nach.

Die Gesundheitswirtschaft in Deutschland wartet mit beeindruckenden Zahlen auf: Fünf Millionen Menschen erwirtschaften über alle Branchen hinweg einen Umsatz von fast 300 Milliarden Euro im Jahr.

Während die Automobilindustrie von ihren 351 Milliarden Euro Jahresumsatz 2012 nur 128 Milliarden in Deutschland umsetzte, beträgt der Inlandsumsatz der Gesundheitswirtschaft annähernd 100 Prozent.

Als krisensicher bezeichnet Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) denn auch gerne die Branche, die gerade in den Konjunkturtälern der vergangenen Jahre wie ein "Fels in der Brandung" gestanden sei.

Die wachsende Bedeutung der Gesundheitswirtschaft spiegele sich zwar im Ausbau der Berichterstattung über Gesundheitsthemen wider, sagte Wolfgang van den Bergh, Chefredakteur der "Ärzte Zeitung".

Es mangele aber oft an Differenziertheit in einem zugegebenermaßen komplizierten Umfeld. Die Tendenz zur Skandalisierung sei stark ausgeprägt.Das wiederum löse Ängste bei den vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen aus, die die Branche prägten.

Nur die Kosten im Blick?

"In der Berichterstattung über Big Pharma steht der Schuldige oft von vorneherein fest", sagte van den Bergh. Das führe bei ihnen zu Ängsten, sich medienwirksam darzustellen, wenn sie es denn überhaupt könnten.

Die Gesundheitsberichterstattung nehme zwar zu, die Gesundheitswirtschaft sei als Thema in den Medien jedoch noch nicht angekommen, sagte Ingrid Mühlnikel, Chefredakteurin des Magazins "KMA".

Allerdings nähmen die Journalisten eher die Kosten des Systems in den Blick. Den volkswirtschaftlichen Beitrag des Wirtschaftszweigs, konkret nannte sie den der Medizintechnik mit 22 Milliarden Euro Umsatz im Jahr, blendeten sie in der Mehrheit aus.

Ein eigener Studiengang "Gesundheitswirtschaftsjournalismus" könne an dieser Stelle mehr Qualität in den Journalismus bringen.

"Angesichts der Ausmaße der Branche wird die Berichterstattung über die Gesundheitswirtschaft mehr Raum in den Medien einnehmen müssen", sagte Stephan-Andreas Casdorff, Chefredakteur der Berliner Tageszeitung "Tagesspiegel".

Da es bei den Produkten und Dienstleistungen der Branche oft um Leben und Tod gehe, sei Transparenz oberstes Gebot. Dafür sei wichtig, dass es bei Ärzten, ihren Gremien und Klinikverwaltungen die Bereitschaft gebe, sich einer Recherche auszusetzen. Glaubwürdigkeit in der Berichterstattung nütze beiden Seiten.

Der Sprache der Medien stellen

Auf Missverständnisse zwischen den Medien und den Unternehmen der Gesundheitswirtschaft machten die Organisatoren des Hauptstadtkongresses aufmerksam.

Die Krankenhäuser als Unternehmen müssten sich den Sprachregelungen der Medien stellen, sagte Professor Heinz Lohmann, Leiter des Kongresses Krankenhaus, Klinik, Rehabilitation.

Zum Beispiel: In der Regel würden Klinikmanager in der Regionalpresse dafür gelobt, wenn sie schwarze Zahlen schrieben. Überregionale Wirtschaftsmedien übten dann dennoch Kritik, wenn zum Beispiel die Gewinnerwartungen nicht erfüllt wurden.

Professor Axel Ekkernkamp, beim Hauptstadtkongress zuständig für das Ärzteforum, machte ebenfalls auf ein fortbestehendes Missverständnis aufmerksam. Ärzte fühlten sich wegen ihres ethischen Auftrags nicht als Teil der Gesundheitswirtschaft.

Hinweise darauf, dass Arztpraxen und Kliniken Teil der Gesundheitswirtschaft seien, wiesen viele als Zumutung zurück. So als stünde Ethik kontra Monetik.

Wenn die Ärzte und andere Player sich nicht darauf einigten, was Gesundheitswirtschaft sei, werde man mit dem Thema nicht zu den Medien durchdringen, sagte Ekkernkamp.

Als Teil der Gesundheitswirtschaft in den Medien wahrgenommen werden will auch die Pflege. "Das ist ein Marketingthema für die Branche", sagte Marie-Luise Müller, Organisatorin des Pflegekongresses.

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