Loveparade

Experte warnt vor Trauma-Rückfall

Seit Jahren hoffen Opfer und Hinterbliebene des Loveparade-Unglücks darauf, dass jemand für ihr Leid verantwortlich gemacht wird. Doch ein Strafprozess ist vorerst geplatzt. Wut und Ohnmacht darüber können Traumata wieder wachrufen, warnt ein Notfalltherapeut.

Von Florentine Dame Veröffentlicht:
Die persönlich erlebten Bilder der Love-Parade-Katastrophe können bei Traumatisierten Jahre später wieder hervorkommen.

Die persönlich erlebten Bilder der Love-Parade-Katastrophe können bei Traumatisierten Jahre später wieder hervorkommen.

© Daniel Naupold / dpa

DUISBURG. Das Scheitern des Loveparade-Verfahrens kann bei Opfern alte Wunden wieder aufreißen. "Die Betroffenen erleben das als einen erneuten Kontrollverlust, wie schon das traumatisierende Ereignis selbst", sagte der leitende Notfallpsychotherapeut der LWL-Klinik in Dortmund, Ulrich Zielke.

Diejenigen, denen es bis jetzt nicht gelungen sei, ausreichend Abstand zu dem Unglück zu gewinnen, könnten die Gefühle von Wut und Ohnmacht auch als Retraumatisierung erleben.

Fast sechs Jahre nach der Katastrophe mit 21 Toten und Hunderten Verletzten hatte das Landgericht Duisburg am Dienstag bekannt gegeben, dass es keinen Strafprozess geben soll. Die Richter lehnten die Anklage gegen zehn Beschuldigte ab. Hinterbliebene und bei dem Unglück im Juli 2010 Verletzte zeigten sich entsetzt und fassungslos über die Entscheidung.

Bedürfnis nach Strafe

Bei traumatischen Ereignissen, die von Menschen ausgelöst würden, bestehe das Bedürfnis, dass diese Menschen angemessen bestraft würden, erklärte Traumatherapeut Zielke. "Hinzunehmen, dass Schuldige ohne Strafe davonkommen, ist für Betroffene sehr schwierig."

Auch eine transparente Aufarbeitung der Geschehnisse in einem Gerichtssaal hätte helfen können, verloren gegangenes Vertrauen in das Leben und die Behörden zu stärken, glaubt Zielke.

Die Opfer hätten auf Vergeltung und Genugtuung gehofft, sagte der Psychotherapeut Steffen Fliegel von der Gesellschaft für Klinische Psychologie in Münster. Stattdessen fühlten sich die Betroffenen vom Rechtssystem im Stich gelassen.

Enttäuschte Hoffnungen

 "Es gibt jetzt große Enttäuschung darüber, dass die Gesellschaft es nicht für nötig erachtet zu würdigen, was ihnen angetan wurde", sagte der Experte.

Für sie hätte ein Gerichtsverfahren bedeutet, dass die Justiz diesen Schmerz anerkennt. "Diese Hoffnungen sind enttäuscht worden, und es muss ein anderer Weg gefunden werden, die Trauer zu beenden", sagte er.

Allerdings: "Menschen haben aber auch Selbstheilungskräfte - und können das Ereignis auch ohne Prozess bewältigen", so Fliegel.

Der Psychotherapeut riet dazu, im Kreise anderer Betroffener das Gespräch aufrecht zu erhalten: "Jetzt müssen sie einen anderen Weg finden, die Trauer abschließen zu können", sagte er. (dpa)

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