Flüchtlinge

Große Impflücken

Der Impfstatus vieler Migranten ist unklar. Nur circa die Hälfte der Flüchtlinge großer Erstaufnahmeunterkünfte waren gegen Tetanus und Diphtherie immun.

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:
Impfung in einer Not-Praxis vor dem Flüchtlingslager in Wetzlar: Ärztin Ingrid Knell im Einsatz.

Impfung in einer Not-Praxis vor dem Flüchtlingslager in Wetzlar: Ärztin Ingrid Knell im Einsatz.

© Boris Roessler / dpa

MANNHEIM. Der Impfstatus von Flüchtlingen ist häufig unklar, die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI) hat daher im Oktober letzten Jahres ein Mindest-Impfangebot für einen Basisschutz vor hochkontagiösen oder besonders schwer verlaufenden Infektionen zusammengestellt, das in den ersten Tagen nach der Ankunft umgesetzt werden sollte (Epid Bull 2015; 41: 439). Zusätzliche Impfungen werden für den weiteren Aufenthalt empfohlen.

Wenn Menschen in Gemeinschaftseinrichtungen an Infektionen mit hohem Ansteckungsrisiko erkranken, zum Beispiel an Windpocken, wären unter Umständen Maßnahmen wie Isolation erforderlich, die sich bei der Erstaufnahme von Flüchtlingen schwer realisieren lassen.

Deshalb veröffentlichen zunehmend Ärzte, die Flüchtlinge versorgen, Zahlen zur Prävalenz schützender oder eine Infektion anzeigender Antikörper von Flüchtlingen in den verschiedenen Altersgruppen, um die Risiken einschätzen zu können.

Immunschutz differenziert zwischen den Altersgruppen

Dr. Alexandra Jablonka von der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Hochschule Hannover hat beim Internistenkongress in Mannheim Daten zu Seroprävalenzen von circa 800 Migranten vorgestellt, die ab Herbst 2015 in Erstaufnahmeeinrichtungen in Niedersachsen ärztlich betreut wurden.

Die meisten waren Männer zwischen 18 und 34 Jahren. Zunehmend kämen nun Kinder und Frauen nach Deutschland, und mehr Menschen aus Syrien und Afghanistan als - wie zuvor - aus den Balkanländern, sagte Jablonka.

Gegen Tetanus und Diphtherie hatten nur circa 50 Prozent der Flüchtlinge eine protektive Immunität, bei Masern- und Mumpsviren lag die Prävalenz schützender Antikörper bei circa 90 Prozent, erreichte aber damit nicht die für eine Herdenimmunität erforderliche Prävalenz von mindestens 95 Prozent.

Außerdem differierte der Immunschutz zwischen den Altersgruppen: 18 Prozent der Flüchtlinge bis 17 Jahre waren seronegativ für das Masernvirus und noch circa zwölf Prozent in der Gruppe der 18- bis 24-jährigen. Mit höherem Lebensalter nahm die Seropositivität für das Masernvirus zu.

Sexuell übertragbare Krankheiten selten

Gegen Windpocken hatten acht Prozent der Migranten bis 17 Jahre keinen ausreichenden Immunschutz. "Die Empfehlung ist, gegen Windpocken bis zum Alter von 12 Jahren zu impfen, wir immunisieren aber bis zum Alter von 17 Jahren auch gegen Varizellen", sagte Jablonka.

Bei Röteln sei der Immunschutz mit einer Seroprävalenz von 97 bis 98 Prozent in der untersuchten Gruppe gut gewesen. "Unsere Daten untermauern, wie wichtig die rasche, möglichst umfassende Immunisierung von Flüchtlingen ist", sagte Jablonka.

Sexuell übertragbare Erkrankungen waren selten. HIV-Antikörper fanden sich bei circa 0,2 Prozent, Syphilis-Antikörper bei unter 0,1 Prozent und Hepatitis-C-Antikörper bei circa 0,3 Prozent.

Aktive Hepatitis B-Infektionen (HBsAG positiv) seien mit 2,3 Prozent etwas häufiger als in der deutschen Allgemeinbevölkerung, aber seltener als bei vielen anderen Migrantengruppen gewesen.

Das RKI hat für die 1.-8. Kalenderwoche 470 Hepatitis-B-Infektionen bundesweit gemeldet, davon fast ein Drittel, nämlich 150, bei Asylsuchenden.

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