Münster verstärkt den Kampf gegen Schmerz

Wie steht es um Schmerzpatienten in Münster? Die nordrhein-westfälische Universitätsstadt hat im vergangenen Jahr ein ehrgeiziges Forschungsprojekt auf den Weg gebracht.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Viele Menschen, junge Stadt: Münster will die Lebensqualität seiner Bürger verbessern.

Viele Menschen, junge Stadt: Münster will die Lebensqualität seiner Bürger verbessern.

© Rüdiger Wölk / imago

BERLIN. Die Behandlung von Schmerzpatienten ist einer der größten Kostenfaktoren im Gesundheitswesen: Alleine Rückenschmerzen kosteten die gesetzlichen Krankenkassen jedes Jahr 4,2 Milliarden Euro.

"Bei einem Schmerzpatienten belaufen sich die direkten Kosten auf 8107 Euro", sagte Professor Matthias Augustin, Direktor des Hamburger Instituts für Versorgungsforschung, auf dem Hauptstadtkongress der Anästhesiologie und Intensivmedizin 2011 in Berlin.

Qualifizierte Schmerztherapie soll Effizienz erhöhen

Hinzu komme, dass unbehandelte oder schlecht versorgte Schmerzpatienten "erhebliche indirekte Kosten wie zum Beispiel Krankheitstage verursachen". Eine frühzeitige und qualifizierte Schmerztherapie erhöhe aber die Effizienz und reduziere damit Folgekosten.

Schmerzfreie Stadt Münster

Das Aktionsbündnis "Schmerzfreie Stadt Münster" ist ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt. Das Projekt wird von Mundipharma gefördert. Kooperationspartner sind:

  • Apothekerkammer Westfalen-Lippe
  • Barmer GEK
  • Bezirksregierung Münster
  • Gesellschaft für Qualifizierte Schmerztherapie Certom
  • Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe
  • Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin
  • Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes
  • Deutsche Schmerzliga
  • Facharztinitiative Münster
  • Hausärzteverbund Münster
  • MEDICA Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Medizin
  • Palliativnetz Münster
  • Praxis für ganzheitliche Schmerztherapie
  • Schmerztherapiezentrum Münster
  • Universitätsklinikum Münster

Diese Zahlen waren Grund genug für die Stadt Münster, einmal genau hinzusehen: Wie steht es um Schmerzpatienten? 2010 startete die nordrhein-westfälische Metropole das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt "Schmerzfreie Stadt Münster".

"Wir wollen die komplexen Zusammenhänge in der Versorgung von Schmerzpatienten innerhalb eines städtischen Gesundheitssystems analysieren", sagte Projektleiter Professor Jürgen Osterbrink von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg.

Schmerzbetreuung über Institutions- und Sektorengrenzen hinweg

Die Stadt Münster wolle "einen tiefen Einblick in die Versorgungsstruktur einer Kommune erlangen, Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen und somit Schnittstellenproblematiken lösen und Versorgungslücken schließen", so Osterbrink.

Der Fokus der Forschung lag dabei auf Krankenhäusern, Alten- und Pflegeeinrichtungen, Schmerzpraxen und Hospizen. So soll zukünftig über Institutions- und Sektorengrenzen hinweg eine umfassende und vernetzte Schmerzbetreuung für Patienten ermöglicht werden, betonte Osterbrink.

Erste Ergebnisse für die Münsteraner Krankenhäuser belegen: "Grundsätzlich erhalten Patienten mit postoperativen Schmerzen eine gute Schmerztherapie", sagte Professor Esther Pogatzki-Zahn, Oberärztin am Universitätsklinikum Münster.

Qualität der Schmerztherapie lag bei Note 1,7

Es gebe allerdings noch Verbesserungspotenzial. Befragt wurden in der Erstevaluation Mitarbeiter und Patienten der Münsteraner Krankenhäuser zwischen Mai und August 2010 - und zwar immer am ersten Tag nach einer Operation.

Demnach bewerteten die Patienten die Qualität ihrer Schmerztherapie mit einer Schulnote von 1,7. Ähnlich gut sei die entsprechende Bewertung der Krankenhausmitarbeiter: "Die Pflegekräfte vergaben die Note 2,31, Stations- und Oberärzte 2,01, Anästhesisten die Note 1,96", so Pogatzki-Zahn.

Einen klinischen Grenzwert zur Anpassung der Schmerztherapie kannten 61,6 Prozent der Anästhesisten, 53,6 Prozent der Pflegenden und ein Viertel der Stations- und Oberärzte. "Dennoch leiden noch immer zu viele Patienten unter Ruhe- und Belastungsschmerzen", betonte Pogatzki-Zahn.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen sollten häufiger und gezielter eingesetzt werden

Immer noch würden nicht ausreichend starke Schmerzmittel gegeben: "Werden, wie in gültigen Standards und Leitlinien empfohlen, frühzeitig stark wirksame Analgetika eingesetzt, können die Schmerzen effektiver gelindert werden."

Darüber hinaus sollte nicht-medikamentöse Maßnahmen häufiger und insbesondere gezielter eingesetzt werden, forderte die Münsteraner Oberärztin: "Denn damit könnten post-operative Schmerzen noch verbessert werden."

Die Stadt Münster will beim Kampf gegen den Schmerz am Ball bleiben. "Die Beteiligten sind jedenfalls motiviert, sich weiterzubilden und so die Situation noch weiter zu verbessern", so Projektleiter Osterbrink.

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