Diagnosen

Ärzte übersehen Demenzerkrankungen häufig

Auf Defizite bei der ärztlichen Versorgung von Demenzkranken haben Ärzte und Wissenschaftler hingewiesen. Leitliniengerecht behandelt werden nur die wenigsten Betroffenen.

Veröffentlicht:

BERLIN. Ärzte und Wissenschaftler schlagen Alarm: Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, werden medizinisch nicht ausreichend versorgt.

Pflegende Angehörige und Pflegekräfte in den Heimen ständen bei der Betreuung der an Demenz Erkrankten überwiegend vor medizinischen Problemen, sagte der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Professor Wolfgang Maier, am Mittwoch in Berlin.

Agitation, Unruhe und Wahnvorstellungen der Erkrankten träfen auf mangelnde medizinische Kompetenz. Das Versorgungssystem unterstütze die Angehörigen und die Pflegekräfte zu wenig.

Häufig werden Demenzerkrankungen von den Ärzten übersehen. Darauf hat Professor Siegfried Weyerer vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit hingewiesen.

Er verwies auf ein Screening aus dem Jahr 2009; das habe ergeben, dass knapp 69 Prozent der Heimbewohner an einer demenziellen Erkrankung litten, die aber nur bei knapp 38 Prozent diagnostiziert war.

Die hausärztliche Versorgung in den Heimen sei weitgehend gewährleistet. Die fachärztliche Versorgung, vor allem bei Augen- und Zahnärzten, sei jedoch "eklatant niedrig".

Riedel-Heller: Leitliniengerechte Behandlung ist Ausnahme

Defizite in der Ausbildung verhindern frühzeitige Interventionen: Nur jede zweite Demenz wird bei Hausärzten erkannt, sagte Professorin Steffi Riedel-Heller aus Leipzig. Solche Effekte haben Konsequenzen für die Versorgung.

Eine leitliniengerechte Behandlung von Demenzkranken sei die Ausnahme, hieß es zum Beispiel. Nur gut 15 Prozent der Erkrankten würden mit Antidementiva behandelt. Die öffentliche Forschung behandle die Prävention und Früherkennung von Demenzen stiefmütterlich.

Als Ursache dieser Situation nannten die Vertreter der DGPPN, dass die Versorgung der rund 1,4 Millionen an einer Demenz erkrankten Menschen in Deutschland vor allem als pflegerische Aufgabe gelte.

Eine ausreichende medizinische Versorgung könnte die pflegenden Angehörigen und die professionellen Kräfte in den Heimen entlasten und die Lebensqualität der Erkrankten heben. (af)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Versorgung transidenter Kinder und Jugendlicher

Hohe Zufriedenheit mit Gender-angleichenden Maßnahmen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ibuprofen plus Paracetamol

Metaanalyse: Duale Medikation senkt Fieber von Kindern effektiv

Vertreterversammlung

KBV fordert kompletten Neustart in der Gesundheitspolitik

cVDPV2 im Abwasser

Erneut Polioviren in deutschen Städten gemeldet

Lesetipps
Frau fässt sich an die Brust

© Maridav / stock.adobe.com

Interview zu den Leitlinien

Hausarzt zu Asthma: „Wir haben nichts gegen die Fixkombi, wir sind nur nicht so pauschal“

Seit Dezember 2023 regelhaft möglich in Deutschland: die Krankschreibung per Telefon.

© Christin Klose/dpa-tmn/picture alliance

Umfrage unter gut 1000 Beschäftigten

Jeder dritte Arbeitnehmer hat bereits Gebrauch von der Tele-AU gemacht

Eine gute Behandlungsqualität braucht vor allem auch gute Ausbildung. Dafür müssen aber die personellen Ressourcen in den Kliniken gegeben sein.

© Robert Kneschke / stock.adobe.com

Kolumne „Hörsaalgeflüster“

Klinikreform: Zwischen Bundesrat und Bettkante