Debatte über COVID-Teststrategie

Ärzteverbände fordern: Schluss mit den Corona-Bürgertests

Die Omikron-Variante lässt die Teststrategie wackeln: Anlasslose Corona-Tests stehen in der Kritik. Und auch das Freitesten nach der Isolation steht auf dem Prüfstand. Ein Umsteuern wird auch aus dem Bundestag gefordert.

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Bayern hat das Testregime schon eingedampft. Bei der Gesundheitsministerkonferenz von Bund und Ländern am Montag könnten weitere Länder nachziehen.

Bayern hat das Testregime schon eingedampft. Bei der Gesundheitsministerkonferenz von Bund und Ländern am Montag könnten weitere Länder nachziehen.

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Berlin. Bund und Länder haben für kommenden Montag (25. April) einen Strategiewechsel bei den Isolations- und Quarantäneregelungen angekündigt. Eng damit verknüpft ist die Forderung nach einem sparsameren Umgang mit Corona-Tests. Bayern hat bereits Nägel mit Köpfen gemacht und die Freitestungen für alle außer für die Beschäftigten in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen abgeschafft.

Eine nachhaltige Teststrategie hat nun auch der Ärztliche Pandemierat bei der Bundesärztekammer (BÄK) angemahnt. Für den kommenden Herbst und Winter sollte „zeitnah und wirksam mit anlassbezogener Testung die medizinisch erforderliche Diagnostik, das Kontaktpersonenmanagement und insbesondere der Schutz vulnerabler Gruppen sichergestellt werden können.

Das bedeute, die Testinfrastruktur zu professionalisieren und den Arztvorbehalt zur Feststellung übertragbarer Krankheiten wieder herzustellen sowie die SARS-CoV2-Tests wieder in die Hände von medizinischem Fachpersonal zu legen“, heißt es in einem Statement des Pandemierats.

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Bürgertests stehen in der Kritik

Die Entwicklungen in der Pandemie haben die Gratis-Bürgertests längst in den Fokus der Kritik gerückt. „Es ist an der Zeit, die vorhandenen Testressourcen gezielt einzusetzen und nicht nach dem Motto zu handeln: Viel hilft viel“, sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister der Ärzte Zeitung. Auch bei COVID-19 müsse wieder die klinisch-therapeutische Relevanz für Laboruntersuchungen gelten, fordert Hofmeister.

Ein Ende der Pandemie sieht Hofmeister gleichwohl nicht: Bei insgesamt weiter abnehmendem Infektionsgeschehen sei in den kommenden Wochen noch mit vielen Ansteckungen zu rechnen. Diese gingen aber mit vergleichsweise eher wenigen schweren Erkrankungen einher. „COVID-19 wird nicht verschwinden. Aber wir werden lernen, mit dem Virus zu leben – und zwar im rationalen Modus, nicht im dauerhaften Ausnahmezustand“, sagt Hofmeister.

„Richtig wäre es, anlasslose Bürgertests zu stoppen“, befindet auch der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen. „Alternativ sollten die verlässlichen PCR-Tests vollumfänglich gefördert werden.“

„Dass nach rund zwei Jahren Corona die PCR-Testkapazitäten noch immer nicht systematisch ausgebaut sind, zeigt das Versagen der Bundesregierung in der Pandemie-Bekämpfung – gerade auch im Vergleich mit anderen Staaten“, kommentierte der Sprecher für Krankenhaus- und Pflegepolitik der Linksfraktion im Bundestag, Ates Gürpinar, am Freitag die Forderungen aus der Ärzteschaft.

Eine voll umfängliche Förderung der PCR-Tests, wie sie seine Partei bereits gefordert habe, sei überfällig, so Gürpinar. Sämtliche PCR-Testmöglichkeiten müssten genutzt werden, auch die der nichtärztlich geführten Labore.

BVÖGD-Chefin: „Testung nur noch mit Anlass“

Bei den Vertretern der Labore stoßen die Forderungen aus der Ärzteschaft auf offene Ohren. „Die Weiterführung anlassloser Tests, zu denen auch die Bürgertests gehören, ist aus Sicht der fachärztlichen Laboratorin nicht mehr erforderlich“, teilte ein Sprecher der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) der Ärzte Zeitung mit.

Keinen Bedarf mehr für anlasslose Testungen, insbesondere Antikörpertests, sieht auch die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD), Dr. Elke Bruns-Philipps. Das Testgeschehen sollte sich zum einen auf die Beschäftigten in Gesundheits-, Pflege- und Gemeinschaftseinrichtungen verlagern, zum anderen auf Menschen mit Symptomen einer COVID-19-Erkrankung.

„Die Testung nur noch mit Anlass würde die Zahl der zu übermittelnden Testergebnisse und insbesondere die positiven Antikörper-Teste deutlich reduzieren“, sagte Bruns-Philipps der Ärzte Zeitung.

Für die Bürgertests als Grundlage für Informationen zum Infektionsgeschehen ergreift dagegen DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß das Wort. „Deshalb plädieren wir auch weiterhin für niedrigschwellige Testangebote, zum einen, um Bürgerinnen und Bürgern Klarheit über ihren eigenen Corona-Status zu geben, zum anderen, um früh erkennen zu können, wenn sich das Infektionsgeschehen massiv ändert“, so Gaß.

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Entbehrliche Freitestungen

Das Bundesgesundheitsministerium betont ebenfalls die Vorteile der Bürgertests, die befristet bis Ende Juni beibehalten werden sollen. „Aktuell verzeichnen wir noch eine sehr hohe Positivrate von über 90 Prozent für die PCR-Bestätigungstests der Antigentestungen“, teilt ein Sprecher von Minister Professor Karl Lauterbach (SPD) der Ärzte Zeitung mit. Spätestens im Juni solle überprüft werden, ob die kostenlosen Bürgertests ab kommenden Juli wegfallen könnten.

Um die Gesundheitsämter für künftige Krisen zu wappnen, pumpen Bund und Länder in den kommenden Jahren vier Milliarden Euro in die Modernisierung des Systems. 5000 Ärzte sollen für den ÖGD gewonnen werden, digitale Technik dort Einzug halten. Doch das ist Zukunftsmusik.

Auch im Hier und Jetzt könnten die Ämter bereits entlastet werden, findet Elke Bruns-Philipps. So könne die gesonderte Anordnung zur Isolation entfallen. Zudem seien auch die Übermittlungen von „Freitestversuchen“ entbehrlich, da jeder positive Test erneut aufwändig bearbeitet werden müsse. (af/hom/juk)

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