Augenärzte und KV suchen ihr Heil vor Gericht

Für viele Fachärzte in der KV Nordrhein hat die jüngste Volte der Honorarreform das Fass zum Überlaufen gebracht. Viele Praxen sehen sich durch die Bescheide für das dritte Quartal 2010 mit einem Minus gegenüber dem Vorjahr konfrontiert.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Die nordrheinischen Chirurgen schlagen Alarm, denn das Geld reicht nicht mehr, um die Versorgung der gesetzlich Versicherten aufrecht zu erhalten.

Die nordrheinischen Chirurgen schlagen Alarm, denn das Geld reicht nicht mehr, um die Versorgung der gesetzlich Versicherten aufrecht zu erhalten.

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KÖLN. Die nordrheinischen Chirurgen schlagen Alarm: "Das von der KVNo ausgeschüttete Geld reicht nicht mehr, um die Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten aufrechtzuhalten", sagt Dr. Manfred Weisweiler aus Geilenkirchen, Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Niedergelassener Chirurgen Nordrhein. Als Regelleistungsvolumen (RLV) der Fachgruppe hat die KVNo für das dritte Quartal 2010 gerade einmal 18,73 Euro ausgewiesen, das qualitätsgebundene Zusatzvolumen für die Teilradiologie beläuft sich auf 3,39 Euro. Zwar haben sich die Werte nach einer Korrekturberechnung auf 19,84 Euro und 5,87 Euro erhöht. "Das ändert aber nichts an der völligen Kostenunterdeckung der Regelversorgung", sagt Weisweiler. Mit einem Volumen von rund 25 Euro sei etwa die konservative Behandlung eines Patienten mit einer Fraktur, die fünf Patientenkontakte und viermaliges Röntgen umfasst, nicht mehr darstellbar. "Wir haben keine andere Wahl, als die Leistung der Refinanzierung anzupassen", sagt Weisweiler. Die niedergelassenen Chirurgen könnten abgesehen von Notfällen die Patienten nicht mehr wie bisher behandeln. Statt dessen müssten sie die Patienten an die Kassen verweisen.

Nicht nur bei den Chirurgen brennt die Hütte, auch andere Fachgruppen sind in Aufruhr. "Wir haben die Entwicklung lange genug beobachtet, jetzt reicht es", sagt Dr. Ludger Wollring, Augenarzt in Essen und Vorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte (BVA) in Nordrhein. In den meisten Praxen der konservativen Augenärzte liegt das Honorar unterder Grundpauschale, kritisiert er. Das RLV beträgt 16,51 Euro. "Wir bekommen nicht einmal mehr die Ordinationsgebühr voll bezahlt." Für Wollring bleibt nur eine Konsequenz: "Der BVA Nordrhein wird gegen die Honorierung klagen", kündigt er an. Adressat der Klage müsse die KVNo sein, auch wenn sie die Misere nicht verschuldet habe. "Das Kernproblem ist die ungerechte Behandlung von Nordrhein bei der Honorarreform."

Der KVNo-Vorstand hat Verständnis für den Protest der Fachärzte. "Die Situation ist katastrophal", sagt Vorstand Bernhard Brautmeier. Auch wenn es noch keine Echtabrechnung gebe, zeichne sich ab, dass neben Chirurgen und konservativen Augenärzten andere Fachgruppen wie HNO-Ärzte, Urologen und Gynäkologen von der Reform der Reform sehr hart getroffen werden. Vielen Praxen habe sie statt der erhofften Anhebung der RLV eine Absenkung gebracht. "Die fachärztlichen Versorgerpraxen sind komplett unterfinanziert, und die RLV berücksichtigen das nicht", bemängelt Vorstand Dr. Peter Potthoff. Ärzte, die genau so abgerechnet hätten wie im Vorjahr, seien jetzt mit großen Verlusten konfrontiert. Die KVNo will gegen den Bewertungsausschuss klagen. Sie verlangt zudem die sofortige Angleichung des Leistungsbedarfs. "Wir wollen nicht fünf Jahre auf die Angleichung warten", sagt Brautmeier.

Die Situation wird durch einen weiteren Faktor verschärft. Die KV hat in den ersten drei Quartalen 2009 insgesamt 72 Millionen Euro zu viel ausgezahlt. Dieses Geld fehlt jetzt. Die Überzahlung ändert aber nichts dran, dass die KV im laufenden Jahr im Vergleich zu 2008 insgesamt mehr Geld an die Ärzte ausschüttet. "Was es gibt, sind deutliche Verschiebungen zwischen und innerhalb der Gruppen", sagt Potthoff. Jetzt muss die KVNo schnell entscheiden, was sie gegen die Verzerrungen tut. Mit der Nothilfe für besonders belastete Praxen ist es nicht getan. "Fürs vierte Quartal müssen wir anders planen, um Ausschläge nach oben und nach unten zu vermeiden", sagt Brautmeier. Der Vorstand werde die Vertreterversammlung einbeziehen.

Die KVNo spricht mit den Kassen darüber, ob sie ab dem vierten Quartal einer anderen Verteilung der Honorare zustimmen.Viel Zeit bleibt nicht. Die Bescheide für das vierte Quartal 2010 gehen Anfang September raus. "Wir werden den Ärzten helfen, wir wissen nur noch nicht wie", sagt Brautmeier.

Die Genossenschaft GenoGyn warnt vor einem Aus für Frauenarztpraxen in Nordrhein. Mit einem Regelleistungsvolumen von 15,07 Euro sei die Versorgung nicht mehr abzubilden. GenoGyn rechnet mit einem durchschnittlichen Honorarverlust von 15 Prozent oder 6000 Euro im Quartal. "Das kommt einer Enteignung gleich und gefährdet akut nicht nur die Existenz zahlreicher frauenärztlicher Praxen mit den damit verbundenen Arbeitsplätzen, sondern auch die flächendeckende Versorgung der Frauen", warnt die Genossenschaft in einem offenen Brief an den GKV-Spitzenverband und die KBV.

Ein besonderes Problem der Fachgruppe ist der Wegfall der sonstigen Hilfen als freie Leistungen, das sind Leistungen rund um Empfängnis und Verhütung. "Gerade für Kollegen, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben, hat das verheerende Auswirkungen", sagt KV Nordrhein-Vorstand Dr. Peter Potthoff, der selbst Gynäkologe ist. (iss)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Von Gerechtigkeit keine Spur!

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