EU-Gesundheitsprogramm

Brüssel will aus den Fehlern der COVID-19-Krise lernen

Die EU-Kommission stattet ihr neues Gesundheitsprogramm „EU4Health“ für die Jahre 2021 bis 2027 mit 9,4 Milliarden Euro aus.

Von Detlef Drewes Veröffentlicht:
Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit, stellt das neue Gesundheitsprogramm der Union in Brüssel vor.

Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit, stellt das neue Gesundheitsprogramm der Union in Brüssel vor.

© Aris Oikonomou/AFP Pool / dpa

Brüssel. Die Analyse der Brüsseler EU-Kommission fiel selbstkritisch aus: „Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass die Bereitschaft und Fähigkeit der EU zu wirksamen Reaktionen auf größere grenzüberschreitende Gesundheitsbedrohungen erheblich verbessert werden muss.“ Damit war die Idee eines neuen Gesundheitsprogramms geboren, aus dessen Einleitung der Satz stammt. In dieser Woche wurde es unter dem Namen „EU4Health“ vorgestellt – nach eigener Beschreibung der EU-Kommission „das ehrgeizigste Gesundheitsprogramm aller Zeiten“.

Es ist Teil des gewaltigen Finanzpaketes der Gemeinschaft, das aus einem Wiederaufbau-Fonds mit 750 Milliarden Euro und dem Mittelfristigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2021 bis 2027 mit 1,1 Billionen Euro besteht. Bisher handelt es sich allerdings nur um einen Vorschlag der EU-Kommission. Ohne die Zustimmung der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlamentes handelt es sich also tatsächlich nur um bedrucktes Papier.

Zustimmung steht noch aus

„EU4Health“ soll mit 9,4 Milliarden Euro ausgestattet werden und vor allem drei Zielen dienen: Das Krisenmanagement der Union will man verbessern. Arzneimittel, Medizinprodukte sowie andere krisenrelevante Produkte sollen verfügbar gemacht und zu erschwinglichen Preisen angeboten werden. Außerdem drängt die EU die Mitgliedstaaten, die Gesundheitssysteme zu stärken und vor allem Arbeitskräfte und Kapazitäten für künftige Pandemien bereitzuhalten. Soweit die Überschriften.

Konkret ist nach den Angaben von EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides daran gedacht, zentrale Teile der Medikamentenproduktion wieder in die EU zurückzuholen. Außerdem sollen medizinische Schutzausrüstungen sowie wichtige Geräte (beispielsweise zur Beatmung) in Lagerhaltung bereitgestellt werden. Darüber hinaus denkt Brüssel an EU-Referenzlaboratien sowie Exzellenzzentren, die in der Lage sind, plötzliche auftretende neue Herausforderungen schnell zu testen und in Zusammenarbeit mit den forschenden Firmen Impfstoffe und Medikamente zu entwickeln.

Augenmerk nicht nur auf COVID-19

Dem Eindruck, COVID-19 werde so sehr in den Mittelpunkt gestellt, dass andere medizinische Themen ins Hintertreffen geraten, widerspricht man in Brüssel vehement. „Nicht übertragbare Krankheiten wie Herz-Kreislauf, Krebs, chronische Atemwegserkrankungen und Diabetes, die in der Union die Hauptursachen für Behinderungen, Erkrankungen und gesundheitsbezogene Ruhestandsregelungen sowie vorzeitige Todesfälle darstellen“, stünden weiter ganz oben auf der Agenda.

Die Unterstützung für das neue Programm ist breit und kommt praktisch aus allen parteipolitischen Lagern, obwohl sich jeder des damit verbundenen Risikos bewusst ist. Denn der Artikel 168 des Vertrages über die Arbeitsweise der Union (AEUV) legt fest, dass die Mitgliedstaaten allein für die Gestaltung der Gesundheitspolitik zuständig sind. Offiziell wird denn auch betont, „EU4Health“ solle die entsprechenden Bemühungen der Nationalstaaten „unterstützen und fördern“.

Fernziel gemeinsame Gesundheitspolitik

Für weitergehende Vorstöße hin zu einer gemeinsamen Gesundheitspolitik wäre eine Änderung der EU-Verträge nötig. Ob die Kommission darauf hinarbeitet? Verträge würden durch Mitgliedstaaten geändert, die so auf die Bedürfnisse ihrer Bürger reagierten, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, bei der Vorstellung von EU4Health in Brüssel. Er setzte hinzu: „Wenn der richtige Moment gekommen ist, wird es passieren.“

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