Rückblick 2012

Daniel Bahr kommt mit einer zaghaften Pflegereform

Die Pflegeversicherung gilt schon in den 2000er Jahren als dringend reformbedürftig. Daniel Bahr macht mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz 2012 und dem „Pflege-Bahr“ einen ersten Reformschritt.

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Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) spricht am 12.12.2012 in Berlin auf einer Pressekonferenz in seinem Ministerium.

2012 war Daniel Bahr (FDP) Bundesgesundheitsminister. Er hat einen ersten Reformschritt mit dem „Pflege-Bahr“ unternommen.

© Kay Nietfeld / dpa

Noch in ihrer letzten Amtsperiode von 2005 bis 2009 hatte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eine weitreichende Reform der Pflegeversicherung angestoßen: Sie hatte einen aus Experten besetzten Beirat berufen, der die Definition des Pflegebegriffs gründlich überarbeiten und erweitern sollte.

Seit ihrer Einführung 1995 war das Ausmaß an Pflegebedürftigkeit in drei Stufen gegliedert und orientierte sich ausschließlich an somatischen Symptomen der Gebrechlichkeit und den daraus notwendigen pflegerischen Verrichtungen.

Immer relevanter werdende Beeinträchtigungen durch Demenz, kognitive Einschränkungen und Depression waren keine Aspekte, für die die Pflegeversicherung eine Kompetenz hatte – eine wachsende Versorgungslücke für viele Menschen in Heimen und in der häuslichen Umgebung und damit auch für pflegende Angehörige. Der von Schmidt berufene Beirat hatte sein Gutachten am Ende der Legislaturperiode 2009 vorgelegt – es hätte Grundlage für entscheidende Reformschritte ihres Nachfolgers Philipp Rösler werden können.

Doch der Koalitionsvertrag von 2009 sah darin zunächst einmal „gute Ansätze“, formulierte aber keine Handlungsaufträge. Immerhin rief Rösler dann 2011 zum „Jahr der Pflege“ aus, unter seinem Nachfolger Daniel Bahr begannen die Arbeiten am sogenannten Pflege-Neuausrichtungsgesetz.

Die wichtigsten Neuregelungen

Rund 500.000 Demenzkranke erhielten nun auch Leistungen aus der Pflegeversicherung: In den Pflegestufen I und II wurden für Demenzkranke die Geldleistungen um 70 und 85 Euro auf 302/525 Euro monatlich angehoben; entsprechend wurden auch die Sachleistungen höher kalkuliert; die Leistungen der Pflegestufe III blieben jedoch unverändert. Zur Finanzierung der Mehrleistungen wurden die Beitragssätze in der Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte erhöht, das entspricht etwa einer Milliarde Euro.
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Zugleich sollte mit dem Gesetz zu haus- und fachärztliche Versorgung in Heimen verbessert werden. Heime wurden dazu verpflichtet, die Landesverbände der Pflegekassen darüber zu informieren, wie ärztliche, Fachärztliche und zahnärztliche Versorgung in den Einrichtungen geregelt sind; angestrebt wurden insbesondere auch Kooperationsverträge mit Ärzten oder Ärztenetzen.

Die private Vorsorge für den Pflegefall wurde durch Einführung des sogenannten „Pflege-Bahr“ gestärkt: einkommensunabhängig wurde eine Förderung für den Abschluss einer Zusatzversorgung von fünf Euro monatlich eingeführt, wenn die Prämie mindestens zehn Euro beträgt.

Kritik von Warentestern

Die Stiftung Warentest sieht die staatlich geförderte private Zusatzversicherung kritisch: Der finanzielle Anreiz sei mit 60 Euro jährlich gering, die angebotenen Versicherung jedoch relativ teuer – ähnlich wie das Vorbild, die Riester-Rente, die inzwischen zum Minus-Geschäft geworden ist.

Insofern war das Pflege-Neuausrichtungsgesetz von 2012 ein erster zaghafter Reformansatz für die in die Jahre gekommene Pflegeversicherung. Das Gesetz baute allerdings nicht auf den systematischen Vorarbeiten des von Ulla Schmidt eingesetzten Beirats auf.

Eine grundlegende Reform mit einer neuen Definition der Pflegebedürftigkeit, sollte erst mit den Pflegestärkungsgesetzen in der Amtszeit von Bahrs Nachfolger Hermann Gröhe auf die Agenda kommen. Was allerdings schon Anfang der 2010er Jahre kaum beachtet worden war, war der wachsende Mangel an qualifizierten Pflegekräften und die Gefahr, dass kodifizierte Leistungsansprüche gar nicht realisiert werden konnten. (HL)
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