Kommentar zu Schleswig-Holsteins Vergangenheit

Den Opfern sei Dank

Bis in die siebziger Jahre wurden in Schleswig-Holstein Psychiatriepatienten unter sehr fragwürdigen Bedingungen Psychopharmaka verabreicht. Sie selbst haben auf ihr Schicksal aufmerksam gemacht und so uns allen geholfen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

Heute ist man fassungslos, dass Kinder und Erwachsene in der Psychiatrie und in Einrichtungen der Behindertenhilfe Medikamentenversuchen ausgesetzt waren – ohne dokumentierte Einwilligung und ohne Aufklärung. Und doch war es bis 1975 „gängige Praxis“. Bedenken gab es nicht oder wurden zumindest nicht laut geäußert, obwohl Nebenwirkungen wie Atemstillstand und psychische Störungen beobachtet wurden.

Lesen sie auch

In Schleswig-Holstein hat es der Landtag nun schwarz auf weiß, dass diese von allen akzeptierte Praxis kaum hinterfragt wurde. Nicht von Ärzten, auch nicht von Juristen, Einrichtungsträgern oder Kirchen und schon gar nicht von den Herstellern der Medikamente. Die vom Kieler Landtag in Auftrag gegebene Untersuchung stellt klar, dass Einwilligung und Aufklärung ethisch und rechtlich erforderlich gewesen wären.

Heute würde so etwas wohl nicht mehr passieren

Heute wären solche Versuche aus mehreren Gründen undenkbar. Nicht vorstellbar ist etwa, dass Ärzte, mit solchen Versuchen konfrontiert, sich erstens beteiligen und zweitens nicht an ihre Kammern und die Öffentlichkeit wenden würden.

Wie aber lassen sich die Folgen für die damals Betroffenen lindern? Sie haben nicht nur die Jahre in den Einrichtungen gelitten und mit Spätfolgen zu kämpfen, sondern stießen noch Jahrzehnte später auf Ignoranz und mussten sich als „Spinner“ abkanzeln lassen. Einige wenige von ihnen hatten trotzdem die Kraft, ihre Erfahrungen immer wieder in Erinnerung zu bringen.

Sie haben es unter anderem geschafft, dass ein Fonds für eine finanzielle Entschädigung aufgelegt wurde und dass es im Landtag ein öffentlich stark beachtetes Symposium gegeben hat, das ihre Erfahrungen in den Mittelpunkt stellte. Die Folge war nicht nur Betroffenheit, sondern eine Sensibilisierung für das Geschehene. Weil unsere Gesellschaft aus dieser Sensibilisierung die Hoffnung ableiten darf, dass solche Erfahrungen der Vergangenheit angehören, gebührt den Betroffenen Dank.

Schreiben Sie dem Autor: gp@springer.com

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Compliance

DSGVO in der Arztpraxis: Wenn der Datenschutz den Daumen senkt

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 2: AIOLOS-Studie: Therapieabbrüche nach Gründen

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

Ofatumumab: Wachsende Evidenz stützt frühe hochwirksame Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Abb. 1: Alle Kinder hatten B-Zell-Werte im altersspezifischen Normbereich

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [5]

MS-Therapie in Schwangerschaft und Stillzeit

Ocrelizumab: einfache und flexible Therapie in jeder Lebensphase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Abb. 1: CHAMPION-NMOSD – Zeit bis zum ersten bestätigten Schub bei Patientinnen und Patienten mit NMOSD (primärer Endpunkt)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [7]

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen

Mit Ravulizumab Schubfreiheit erreichen

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: Alexion Pharma Germany GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Mitarbeiterführung und Teamentwicklung

MFA-Tag: Motivationsbooster fürs Praxisteam

Lesetipps
HSK im Fokus: Der Hauptstadtkongress 2024 findet von 26. bis 28. Juni in Berlin statt.

© Rolf Schulten

Themenseite

Hauptstadtkongress: Unsere Berichte im Überblick

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung