Klinikreform

"Dieses Gesetz belastet die Vertragsärzte"

Als Folge der Klinikreform wird die ambulante Versorgung geschwächt, beklagt KVWL-Vorstand Dr. Wolfgang-Axel Dryden. Ob Investitionsfonds oder Portalpraxen: Die Kliniklobby habe ganze Arbeit geleistet.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Protest gegen die Klinikreform: Nur ein Beispiel für gelungene Lobby-Arbeit der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

Protest gegen die Klinikreform: Nur ein Beispiel für gelungene Lobby-Arbeit der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

© Pilick

DORTMUND. Was die politische Lobbyarbeit angeht, könnte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) noch eine Menge lernen, findet Dr. Wolfgang-Axel Dryden, der Vorsitzende der KV Westfalen-Lippe (KVWL).

Während die Vertragsärzte bei den Berliner Politikern kaum noch Gehör fänden, gelinge es der DKG, ihre Interessen durchzusetzen, sagte Dryden bei der KV-Vertreterversammlung in Dortmund.

Das habe zuletzt das Krankenhausstrukturgesetz gezeigt. Dort hätten sich die Klinikverbandsvertreter hochprofessionell bei der Politik eingebracht und ihre Vorstellungen umfangreich durchgesetzt.

"Das ist schon ein Meisterstück, zumal dieses Gesetz sowohl die Vertragsärzte als auch die Krankenkassen massiv belastet", betonte Dryden.

Die Entscheidungsträger bei der KBV sollten bei den Kollegen von der DKG Unterricht nehmen, vielleicht gehe es mit der KV-System dann auch wieder bergauf, empfahl er. "Aus der KBV war und ist zu diesem Thema bislang allenfalls wenig zu hören."

Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass die Klinikreform in den kommenden fünf Jahren Mehrausgaben von zusätzlich acht Milliarden Euro mit sich bringt.

"Sind die nichts wert?"

Immer wieder fälle die Politik Entscheidungen gegen die ambulante Versorgung und zugunsten der stationären Versorgung, kritisierte der KVWL-Chef. Als Beleg sieht er den geplanten Investitionsfonds für die Krankenhäuser.

Er werde mit 500 Millionen Euro aus dem Gesundheitsfonds finanziert. "Mit dieser Entscheidung wird wieder die Finanzierbarkeit der ambulanten Versorgung geschwächt."

Ein Grund für die Ungleichbehandlung von niedergelassenen Ärzten und Kliniken könne sein, dass Kommunalpolitiker, Bürgermeister, Landräte, Landtags- und Bundestagsabgeordnete den Gesundheitspolitikern auf den Leib rücken und Druck machen, wenn es um Belange der Kliniken geht.

"Wiegt das schwerer als die Probleme von bundesweit circa 140.000 Vertragsärzten mit schätzungsweise 300.000 bis 400.000 Mitarbeitern? Sind die nichts wert?", polemisierte Dryden.

Auch für die stärkere Einbindung der Krankenhäuser in die ambulante Notfallversorgung und die geplante Einrichtung von Portalpraxen zeigte er wenig Verständnis. Es gebe schon eine Reihe solcher Praxen in Westfalen-Lippe und anderen Regionen, die von den KVen unter Sicherstellungsaspekten eingerichtet worden seien.

Das müsse auch für die künftigen Portalpraxen gelten. "Nicht jedes Krankenhaus, das existiert, kann einen Anspruch auf eine Portalpraxis oder Mitwirkung am organisierten Notfalldienst haben."

Als "hochbrisant" bezeichnete er die geplante Vergütung der an den Kliniken angesiedelten Praxen. Die Honorare für die Leistungen im Notfalldienst würden vorab der Gesamtvergütung entnommen.

Der Mechanismus schade den Fachgruppen, die ihr Honorar vorwiegend aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung bestreiten: den Hausärzten und den grundversorgenden Facharztgruppen.

Erosion des Sicherstellungsauftrags

Damit stelle sich die Frage, wie ernst die Förderung der Allgemeinmedizin und der Grundversorgung tatsächlich gemeint sei. "Zudem ist es für mich erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit eine Regierung der Mitte bereit ist, mittelständische Praxen zu schädigen und das Geld in einen Bereich zu schieben, in dem sich zunehmend gewinnorientierte Unternehmen tummeln."

Das Krankenhausstrukturgesetz ist für Dryden nur der jüngste Beleg für die "offene Erosion des Sicherstellungsauftrags und den Abstieg der inhabergeführten Arztpraxis". Dieser Prozess habe spätestens 2002 unter dem von Ulla Schmidt (SPD) geführten Gesundheitsministerium begonnen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Neuer Verschlüsselungsalgorithmus in der TI

gematik verlängert Frist für Austausch der E-Arztausweise

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Dr. med. Gerhard M. Sontheimer (ANregiomed, Region Ansbach) und Holger Baumann (Kliniken der Stadt Köln, v.l.) haben in der Praxis gute Erfahrungen mit Systempartnerschaften gemacht.

© Philips

Mehr Spielraum für moderne Prozesse in der Klinik

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Philips GmbH Market DACH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neuer Verschlüsselungsalgorithmus in der TI

gematik verlängert Frist für Austausch der E-Arztausweise

Schwierige Therapiesituation

Kopfschmerzen bei Kindern: Diese Optionen gibt es

Lesetipps
Mit einer eher seltenen Diagnose wurde ein Mann in die Notaufnahme eingeliefert. Die Ursache der Hypoglykämie kam erst durch einen Ultraschall ans Licht.

© Sameer / stock.adobe.com

Kasuistik

Hypoglykämie mit ungewöhnlicher Ursache

Die Glaskuppel zur Notfallreform: Zustimmung und Zweifel

© undrey / stock.adobe.com

Kolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zur Notfallreform: Zustimmung und Zweifel