Hamburg

"Fortbildungs-Protest" vergrätzt die Kassen

In der Hansestadt pflegen Ärzte ihre eigenen Protestformen. Am Mittwoch kamen rund 1600 Ärzte zur Fortbildung - und protestieren gegen das Verhalten der Kassen im Honorarkonflikt. Kassenvertreter halten den Protest für unverhältnismäßig.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Ärzte füllten am Mittwoch das Audimax in der Hamburger Universität. Anlass war eine Fortbildung zur Sprechstundenzeit.

Ärzte füllten am Mittwoch das Audimax in der Hamburger Universität. Anlass war eine Fortbildung zur Sprechstundenzeit.

© Schnack

HAMBURG. Mehr als 1600 Ärzte und Mitarbeiterinnen haben am Mittwoch für eine Fortbildung zur Sprechstundenzeit das Audimax der Hamburger Universität gefüllt.

Die KV sprach von einem deutlichen Signal an die Krankenkassen - und sieht sich darin bestärkt, solche Veranstaltungen wieder anzubieten. Die Kassen dagegen reagierten verschnupft.

"Normalerweise machen wir das abends und am Wochenende, aber hierfür haben wir wegen des enormen Arbeitsdrucks immer weniger Zeit und auch nicht den Kopf frei", begründete Dr. Michael Späth die ungewöhnliche Fortbildung zur Sprechstundenzeit.

Thematisch ging es um Notfallmedizin in der Praxis - was von den Ärzten mit hohem Interesse verfolgt wurde. Zugleich ging es aber auch um Protest gegen die Haltung der Krankenkassen, mit denen die KV im festgefahrenen Honorarkonflikt zu keinem Kompromiss findet.

Bei den Praxisinhabern und vielen Mitarbeitern kam die Aktion gut an. "Wir sind uns ausnahmsweise einmal einig", resümierte eine zufriedene Allgemeinmedizinerin Dr. Silke Lüder.

Die Ärzte seien nicht damit einverstanden, dass die Kassen die Beiträge der Versicherten in einem Sparstrumpf horteten und zugleich zu wenig Geld für die ambulante Versorgung bereitstellten.

73 Prozent der Leistungen bezahlt

Hausarzt Dr. Volker Lambert warnte vor einer weiteren Unterfinanzierung der hausärztlichen Tätigkeit - schon jetzt bekommt seine Fachgruppe nach Angaben Lamberts nur 73 Prozent der von Patienten angeforderten Leistungen von den Krankenkassen bezahlt.

"Wenn die Basis nicht ordentlich finanziert wird, wird es den Beruf bald nicht mehr geben", warnte Lambert.

Kinder- und Jugendarzt Dr. Stefan Renz wunderte sich über das mangelnde Bewusstsein in der Öffentlichkeit für den Wert einer qualitativ hochwertigen Versorgung.

Er appellierte an die Medien, dieses Bewusstsein zu schärfen - schließlich werde auch darüber informiert, dass preisgünstige Lebensmittel nicht die gewünschte Qualität haben können.

Die KV wird auch im März ihren Beitrag zur Information der Öffentlichkeit leisten. Für die Kampagne der KV über zu niedrige Honorare können sich Praxen neue Poster bestellen, diesmal mit einem Motiv zum Thema "Wenn aus Sprechstunden Sprechminuten werden".

Weitere Ideen für die Kampagne aus der ärztlichen Basis heraus sind nach Angaben von Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der KV-Vertreterversammlung, ausdrücklich erwünscht.

Die Krankenkassen kritisierten die Fortbildung zur Sprechstundenzeit scharf. Sie bezeichneten es als "absolut unangemessen", dass Vertragsärzte eine "Notlage heraufbeschwören und einen kräftigen Zuschlag aus dem Geldbeutel der Versicherten fordern."

"Deutliches Plus auch in der Krise"

Hamburgs Chefin des Ersatzkassenverbands vdek, Kathrin Herbst, seit Monaten Zielscheibe der KV-Kritik, zog in einer Mitteilung einen Vergleich zwischen der wirtschaftlichen Situation der Ärzte mit der der Gesamtbevölkerung.

"Selbst während einer der größten Wirtschaftskrisen in der Geschichte der Bundesrepublik, als viele Versicherte empfindliche Einbußen hinnehmen und um ihren Arbeitsplatz bangen mussten, konnten sich die Vertragsärzte in der Hansestadt über ein deutliches Plus bei der Vergütung und einen krisensicheren Arbeitsplatz freuen", sagte Herbst.

Sie verwies auf ein von den Kassen angebotenes Honorarplus von 25 Millionen Euro für 2013.

Auch andere Kassenvertreter zeigten sich über die KV verärgert. Matthias Mohrmann von der AOK Rheinland/Hamburg sagte: "Ins Persönliche gehende Angriffe, Forderungen im zweistelligen prozentualen Bereich und Protestaktionen zulasten der Versicherten helfen nicht weiter."

Dr. Dirk Janssen vom BKK Landesverband Nordwest verwies auf gelungene Kompromisse in anderen Bundesländern und forderte: "Dies sollte auch in Hamburg möglich sein."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: KV in der Offensive

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums v.l.n.r.: Professor Karl Broich (BfArM), Dr. Jürgen Malzahn (AOK-Bundesverband), Dr. Christine Mundlos (ACHSE e.V.), Hauke Gerlof (Ärzte Zeitung), Dr. Johanna Callhoff (DRFZ), Professor Christoph Schöbel (Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen), Privatdozent Dr. Christoph Kowalski (Deutsche Krebsgesellschaft), Dr. Peter Kaskel (Idorsia)

© Thomas Kierok

ICD-11: Die Zeit ist reif für die Implementierung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Idorsia Pharmaceuticals Germany GmbH, München
Abb. 1: Bei erfolgreich therapierter Sialorrhö ist Teilhabe wieder leichter möglich

© Olesia Bilkei / stock.adobe.com [Symbolbild]

Glycopyrroniumbromid bei schwerer Sialorrhö

Wirtschaftliche Verordnung durch bundesweite Praxisbesonderheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Proveca GmbH, Düsseldorf
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren