Gesundheitskompetenz

Früher Beginn zählt

Längere Lebenserwartung ist das eine. Menschen müssen aber lernen, mit Krankheiten besser umzugehen, hieß es bei einer Tagung.

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BERLIN. Alt werden und dennoch gesund bleiben - geht das? Ja, wenn Menschen frühzeitig gesundes Verhalten ausbilden und innerhalb der Versorgung mehr präventive Angebote integriert sind.

Dieses Fazit zog Professor Adelheid Kuhlmey, Gerontologin an der Berliner Charité. Kneipp-Bund, der Dachverband Anthroposophische Medizin sowie die Barmer GEK hatten zur Debatte über das Thema "Zukunft Prävention. Blick zurück nach vorn - 25 Jahre Paragraf 20 SGB V" eingeladen.

Die Statistiken sind vielversprechend: Heute 60-jährige Frauen können damit rechnen, noch etwa 25 Jahre zu leben, gleichaltrige Männer weitere 21 Lebensjahre.

Jedes zweite Baby, das 2013 geboren wird, wird seinen 100. Geburtstag feiern können. Und die heute 70-Jährigen fühlen sich im Durchschnitt so vital wie 65-Jährige vor 30 Jahren.

Mehr Lebenszeit aber, so warnte Kuhlmey, bedeutet nicht automatisch mehr gesunde Lebensjahre. Denn: "Etwa 77 Prozent aller Erkrankungen in Europa sind chronischer Art. Viele davon wurzeln in sehr frühen Kindheitstagen, haben oft jahrzehntelange Entstehungswege, die präventiv zu beeinflussen wären."

Was also ist zu tun, damit alt und gesund kein Gegensatz bleibt? Kuhlmey skizzierte drei Handlungsebenen. Zum ersten: Gesundheit ist eine "soziale Ressource" und somit vom jeweiligen Umfeld abhängig. Wer einen niedrigen Bildungsabschluss hat, hat ein sehr viel größeres Risiko frühzeitig und schwerwiegend zu erkranken.

Studien der Deutschen Rentenversicherung Bund belegen zum Beispiel, dass 30- bis 59-jährige Männer mit niedrigem beruflichen Qualifikationsniveau ein etwa 4,6-fach höheres Risiko haben, aufgrund einer psychischen Erkrankung ganz oder teilweise berentet zu werden, als gleichaltrige Männer mit einem hohen Qualifikationsniveau.

Bildung und Gesundheitsverhalten

Hinzu kommt: Eine intensivere und bessere Gesundheitsbildung ist in den frühen Kindertagen sinnvoll und insbesondere in den sozial benachteiligten Schichten notwendig. Denn in den jungen Jahren prägt sich das spätere Verhalten ein.

Kuhlmey: "Personen mit einer geringen Gesundheitskompetenz haben Mühe, mündliche und schriftliche Informationen von Gesundheitsspezialisten zu verstehen und nach deren Empfehlungen zu handeln. Sie beziehen häufiger Gesundheitsdienstleistungen und verursachen höhere Gesundheitskosten."

Schließlich gehe es auch darum, präventive Konzepte auf das "gewandelte Krankheitspanorama" abzustimmen. Nötig seien Präventionsprogramme, die chronisch Kranke besser als bisher befähigen, mit der Krankheit zu leben.

Kuhlmey: "Wir machen Menschen nicht ausreichend kompetent und stark mit gesundheitlichen Veränderungen bei fortschreitendem Alter umzugehen, sondern bescheinigen auftretenden Befindlichkeitsstörungen zuweilen einen Krankheitswert."

Nötig sei es zudem, Prävention im Handeln aller Gesundheitsberufe und in unterschiedlichen Versorgungssettings zu integrieren sowie Umwelt und Berufsleben an die Bedürfnisse eines langen Lebens anzupassen.

Allerdings warnte Kuhlmey vor dem Glauben, "das gute Leben stets bewahren zu können". Diese Utopie könne weder die Medizin noch die Gesellschaft und auch nicht eine verstärkte Prävention und Gesundheitsförderung einlösen. (wer)

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