Koalition und Wissenschaftler

Weitere Rufe nach der Bürger-Pflegeversicherung

Die Ausgaben für die Pflege steigen rasant. Wie soll das Sozialsystem darauf reagieren? Diese Frage treibt Koalition und Wissenschaftler um.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Grünes Licht für eine Bürger-Pflegeversicherung?

Grünes Licht für eine Bürger-Pflegeversicherung?

© kamasigns / stock.adobe.com

BERLIN. Einen „deutlichen und dringenden Reformbedarf“ in der Finanzierung der Pflege hat der Bremer Gesundheitsökonom Professor Heinz Rothgang ausgemacht.

Von einer „ausgewogenen Lastenverteilung“ zwischen gesetzlich und privat Versicherten könne keine Rede sein. Diese habe das Bundesverfassungsgericht aber bereits vor Jahren gefordert, schreiben Rothgang und sein Ko-Autor Dominik Domhoff in einer von der SPD-nahen Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. Diese wurde am Wochenende veröffentlicht.

Als Lösung schlägt Rothgang vor, gesetzliche und private Pflegeversicherung in einer Bürger-Vollversicherung zusammenzuführen und dafür außer den Erwerbseinkommen auch „nennenswerte Einkünfte“ aus Kapitalvermögen, Vermietung und Gewerbebetrieben heranzuziehen.

SPD will Private und Gesetzliche vereinen

In diese Richtung zielen auch Vorschläge des kommissarischen SPD-Parteivorstands vom Wochenende. Demnach sollen die Eigenanteile in der stationären Pflege zunächst abgesenkt und dann eingefroren werden. Steuerzuschüsse und steigende Beiträge („Sockel-Spitze-Tausch“) sollten dies kompensieren.

In einem weiteren Schritt solle dann eine Pflege-Bürgerversicherung eingeführt werden, hat die SPD in einem Positionspapier ausgeführt. Damit ließen sich Eigenanteile vollständig abschaffen.

Einem ungezielten Steuerzuschuss und einer Deckelung der Eigenanteile hat CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß widersprochen. Besser sei eine Lösung, die bei der Länge der Pflegebedürftigkeit ansetze, sagte Krauß am Montag der „Ärzte Zeitung“.

„Wer drei Jahre im Pflegeheim lebt, hat eine weit größere Last zu tragen als derjenige, der nur drei Monate zahlen muss“, sagte Krauß. Der CDU-Politiker sprach sich zudem gegen eine Vollkasko-Versicherung in der Pflege aus.

Sockel-Spitze-Tausch angeregt

Die Vorsitzende der AG Gesundheit der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU) hat für das kommende Jahr eine Initiative angekündigt, um die Pflegebedürftigen bei den Eigenanteilen für die Heimpflege zu entlasten.

Lösungen, wie den von der SPD ins Spiel gebrachte Sockel-Spitze-Tausch, hatte Maag jedoch ausgeschlossen. Sie kritisierte allerdings, dass die Länder ihre Investitionsverpflichtungen in der stationären Pflege nahezu eingestellt hätten. Ausweislich der Rothgang-Studie müssen die Menschen in stationärer und ambulanter Pflege derzeit 8,5 Millionen Euro für die Pflegeleistungen aus eigener Tasche zuzahlen.

Allein 37 Prozent der gut 900.000 Bewohner stationärer Altenpflegeeinrichtungen können die Eigenleistungen nicht mehr aus eigener Kraft stemmen und sind dafür auf Sozialhilfe angewiesen, heißt es aus Länderkreisen.

Für die Verschärfung der Situation ist die Politik der Koalition mitverantwortlich. Allein die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) könnte die Eigenanteile an stationären Pflegeleistungen von derzeit im Schnitt rund 700 Euro auf 1000 Euro im Monat steigen lassen, haben die Länder ausgerechnet. Dazu trage jeder Beschluss der Koalition bei, die Personalschlüssel anzuheben oder Lohnanreize zu schaffen.

In der Pflege zeigt sich aus Gerechtigkeitsgründen deutlicher und dringender Reformbedarf.

Professor Heinz Rothgang Universität Bremen

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Soziale Pflegeversicherung

Schlagabtausch über künftige Finanzierung von Pflegeleistungen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Private Abrechnung

Neue GOÄ: Zurück in die Warteschleife!

Erfahrungen mit der ePA

Warum ein Hausarzt von der elektronischen Patientenakte überzeugt ist

Lesetipps
Ein Schritt nach vorne.

© pector / stock.adobe.com / generated AI

Konzept Prä-COPD

Der COPD einen Schritt voraus: So gehen Kollegen vor

Ein Mädchen hält sich schmerzverzerrt den Kopf.

© KI-generiert daratorn / stock.adobe.com

Netzwerk-Metaanalyse

Kinder mit Migräne: Diese Medikamente helfen bei der Prophylaxe

Künftig ein „Partner mit erweiterter Handlungsbreite“? Ein Bertelsmann-Panel macht Vorschläge zur Weiterentwicklung des Rettungsdienstes.

© Christian Schwier / Stock.adobe.com

Vorschläge eines Bertelsmann-Panels

Rettungsdienst 2.0: Mehr Kompetenzen, mehr Kooperation