Brexit
Hält Johnson sein Wahlversprechen? Ärzte sind skeptisch
Das britische Gesundheitssystem ist drastisch unterfinanziert. Premierminister Johnson hatte im Wahlkampf daher eine gesetzlich verankerte Finanzspritze angekündigt.
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Boris Johnson hat im Wahlkampf die Reform des Sozialsystems angekündigt.
© Stefan Rousseau/PA Wire/dpa
London. Abwarten und Tee trinken – so in etwa lassen sich die Reaktionen in Großbritannien auf die Antrittsrede der Mitte Dezember gewählten neuen britischen Regierung beschreiben.
Die Ärzteschaft ist skeptisch, wie eine Blitzumfrage bei Medizinern im Königreich ergab. „Es sind viele Versprechungen und wir müssen abwarten, ob Boris Johnson diese Versprechungen auch einhalten wird“, so ein Sprecher des größten und wichtigsten britischen Berufsverbandes für Mediziner, British Medical Association (BMA).
Und: „Sollte Johnson einhalten, was er nach der Wahl versprach, dann ist das gut für den Gesundheitsdienst.“
Gesundheit als Wahlkampfthema
Der staatliche britische Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) war neben dem Brexit das wichtigste Wahlkampfthema. Der NHS, der mehr als eine Million Menschen beschäftigt und der zum Großteil aus allgemeinen Steuermitteln finanziert wird, steckt seit Jahren in der Krise.
Grund dafür ist unter anderem eine chronische Unterfinanzierung, die sich durch den demografischen Wandel noch verstärken dürfte. Auch eine verfehlte Gesundheitspolitik wird von gesundheitspolitischen Beobachtern im Königreich für die NHS-Dauerkrise verantwortlich gemacht.
Gesundheitsetat könnte jährlich um 3,6 Prozent steigen
Premierminister Boris Johnson verspricht, „in Kürze“ ein neues Gesetz zu verabschieden, welches vorschreibt, dass die Londoner Regierung in ihrem Haushaltsplan „jährlich 3,4 Prozent mehr“ als im jeweiligen Vorjahr in die staatliche Gesundheitsversorgung investieren wird.
Das entspräche einer jährlichen Steigerung des Etats um rund 3,6 Prozent – deutlich mehr als die Vorgänger-Regierungen investierten.
Freilich: Wirtschaftsfachleute sind ebenso wie die Mehrheit der Ärzteschaft und anderen Gesundheitsberufe skeptisch, ob dieses Ziel eingehalten werden kann. Zu groß sind die wirtschaftlichen und auch politischen Unsicherheiten verbunden mit dem Ende Januar bevorstehenden Brexit.
Johnson kündigt Reform des Sozialsystems an
Außer der Finanzspritze kündigte Johnson eine Reform der NHS-Psychiatrieversorgung und des Sozialsystems an. Das Sozialsystem ist deshalb ein Problem, weil oftmals ambulante Versorgungsangebote für chronisch kranke Patienten und Senioren fehlen.
Folge: Diese Patienten werden in Krankenhausbetten untergebracht, was wiederum zu Bettenknappheit und längeren Wartelisten für andere Fälle im NHS führt.