Lauterbachs Reform in der Kritik

Kassen und Sozialverbände fordern Steuermittel für die Pflegeversicherung

Die geplanten Reformen in der Sozialen Pflegeversicherung kommen nicht gut an. Die Pflegekassen vermissen die ordnungspolitisch gebotene Zuordnung der Finanzierung zwischen Staat und Beitragszahler.

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Mehr Pflegegeld verspricht ein Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums. Bezahlen sollen allerdings nur die Beitragszahlerinnen und -zahler.

Mehr Pflegegeld verspricht ein Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums. Bezahlen sollen allerdings nur die Beitragszahlerinnen und -zahler.

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Berlin. Der AOK-Bundesverband sieht die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP geleisteten Versprechen zur Konsolidierung der Pflegeversicherung mit dem aktuellen Referentenentwurf nicht eingelöst.

„Es fehlt die im Koalitionsvertrag zugesagte Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen“, monierte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Dr. Carola Reimann am Freitag. Damit stehle sich die Koalition aus der Verantwortung, die Pflegeversicherung auf eine stabile Grundlage zu stellen.

Kritik kam auch aus dem GKV-Spitzenverband: „Allerdings ist die vorgesehene Anpassung der Leistungsansprüche bei Weitem unzureichend“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes Gernot Kiefer.

Offensichtlich seien die Bundesregierung und ebenso die Länder nach wie vor nicht bereit, ihren Finanzverpflichtungen gerecht zu werden. Immerhin sei der Entwurf aus dem Hause Lauterbach ein Signal, das die Bundesregierung die Probleme der Pflegebedürftigen und der Pflegeversicherung anzugehen, sagte Kiefer.

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Kassen vermissen Steuermittel

Am Vormittag war ein Entwurf für eine Reform der Pflegeversicherung aus dem Bundesgesundheitsministerium bekannt geworden, der auf der einen Seite Beitragserhöhungen vorsieht, auf der anderen aber auch die Dynamisierung ambulanter Leistungsbeträge und mehr Ansprüche auf Pflegeunterstützungsleistungen.

Was zum Beispiel fehle, sei die Refinanzierung der Corona-bedingten Mehrkosten der Pflegeversicherung durch den Bund in Höhe von 5,5 Milliarden Euro, sagte Reimann. Auch die steuerliche Gegenfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige, die bislang die Pflegeversicherung bezahle, sei nicht berücksichtigt.

Somit müssten die Beitragszahlerinnen und -zahler sowohl für sämtliche reformbedingten Mehrausgaben als auch für das strukturelle Defizit aufkommen, beklagte Reimann.

Briefe an Scholz und Lindner

In dieser Woche hatten die Kassenverbände, der VdK und der SOVD sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in gleichlautenden Schreiben bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) Alarm geschlagen. Das Defizit in der Sozialen Pflegeversicherung betrage für 2022 und 2023 mehr als fünf Milliarden Euro.

Um die Ausgabendeckungsquote des Betriebsmittel- und Rücklagensolls kurzfristig wieder auf das anderthalbfache einer Monatsausgabe zu bringen, liege der Finanzierungsbedarf der Pflegeversicherung allein für 2023 bei 4,5 Milliarden Euro.

In den Schreiben bitten Kassen und Verbände „eindringlich“, die Finanzierung der Pflegeversicherung durch Bundesmittel schnell zu stabilisieren, um nicht alle Lasten und die Sicherung der Liquidität den Beitragszahlerinnen und -zahlern aufzubürden.

Einen Beitrag dazu würde auch die Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige durch den Bund leisten, heißt es in den Briefen. Diese werden derzeit ebenfalls aus Beitragsmitteln versicherungsfremd finanziert.

Geschröpft werden die Beitragszahler

Laut dem Referentenentwurf aus dem Hause Lauterbach sollen die geplante Erhöhung des Pflegegeldes und die Anpassung der Sachleistungen überwiegend aus der Erhöhung der Beiträge der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten finanziert werden.

Vorübergehend Entlastung wird zudem durch das Verschieben von Ausgaben in die kommenden Jahre geschaffen. (af)

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