Nazi-Internist

Kiel zieht Konsequenzen

Erst entzog die Uni Kiel ihrem einstigen Professor Alfred Schittenhelm postum die Ehrensenatorenwürde. Jetzt sagt auch die Landeshauptstadt Kiel:  Die NS-Vergangenheit des Internisten darf nicht länger ignoriert werden. Konsequenzen wurden gezogen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

KIEL. Nach der Universität hat nun auch die Stadt Kiel Konsequenzen aus den Erkenntnissen über die NS-Vergangenheit von Professor Alfred Schittenhelm gezogen. Die "Schittenhelmstraße" in Kiel wurde jetzt in "Rosalind-Franklin-Straße umbenannt.

Wie berichtet sind Schittenhelms Verstrickungen in die NS-Diktatur inzwischen von mehreren Wissenschaftlern untersucht und belegt worden. Für die Kieler Uni gehört der 1954 verstorbene Schittenhelm inzwischen "zu den politisch am stärksten belasteten deutschen Internisten überhaupt".

Mitverantwortlich für menschenverachtende Medizin

Dies war aber nicht immer so. Erst kürzlich hat sie dem Internisten die 1951 verliehene Ehrensenatorenwürde wieder entzogen. Mit der Umbenennung der Straße folgte nun die Landeshauptstadt nach. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer sieht in der Wahl für die Biochemikerin Rosalind Franklin einen "wichtigen Schritt, um die vielfältigen Verdienste von Frauen stärker in unser aller Bewusstsein zu rücken". Er hofft, dass ihr Engagement anderen als Ansporn dient, sich für Wissenschaft und Forschung zu engagieren.

Zu der Namensänderung hatten die Christian-Albrechts-Universität und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) angeregt, weil Schittenhelm als SS-Mitglied während der Naziherrschaft mitverantwortlich war für verbrecherische und menschenverachtende Praktiken in der Medizin.

Schon 1933 hatte er als Direktor der Kieler Universitätsklinik für Innere Medizin die Absetzung des Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Leopold Lichtwitz, wegen dessen jüdischer Abstammung betrieben. Er selbst wurde dann sein Nachfolger als Vorsitzender. Später erleichterte er den Nationalsozialisten die Gleichschaltung.

Im Krieg wurde er SS-Brigadeführer. Nach dem Krieg hatte man seine Vergangenheit im Norden schnell verdrängt. Der 1947 geführte Prozess gegen ihn wurde eingestellt.

1949 wurde Schittenhelm als ordentlicher Professor wieder eingestellt, zwei Jahre später ernannte man ihn zum Ehrensenator. Erst in den vergangenen Jahren war seine Rolle in der NS-Zeit wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Zur Erinnerung: Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hat sich inzwischen ihrer Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus konsequent gestellt. Professor Hans-Georg Hofer von der Uni Münster und Privatdozent Ralf Forsbach vom Medizinhistorischen Institut Bonn haben systematisch die Geschichte der DGIM in der NS-Zeit aufgearbeitet. Beim DGIM-Kongress im vergangenen Jahr in Mannheim wurden die Ergebnisse in einer viel beachteten Ausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt. (mit fuh)

Mehr zum Thema

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System