Afrika-Beauftragter

Kritik: Boostern in Deutschland geht zulasten Impfungen in Afrika

Die Internationale Impfstoff-Allianz (GAVI) gibt ihre Ziele beim Spenden von Corona-Impfstoffdosen für ärmere Länder auf. Ärzte ohne Grenzen fordern indes Patente für die Vakzine-Produktion in Afrika.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Am 17. November kommen am Flughafen in Dakar (Senegal) eine Lieferung von Impfstoffen im Rahmen der COVAX-Initiative an. Die Mengen bleiben stark hinter den eigentlichen Zusagen von Industriestaaten zurück.

Am 17. November kommen am Flughafen in Dakar (Senegal) eine Lieferung von Impfstoffen im Rahmen der COVAX-Initiative an. Die Mengen bleiben stark hinter den eigentlichen Zusagen von Industriestaaten zurück.

© Arnaud Dumontier/MAXPPP/picture

Berlin. In Afrika entstehen neue besonders aktive Varianten von SARS-CoV-2. Gleichzeitig sind auf dem gesamten Nachbarkontinent Stand heute weniger als sieben Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, melden die Afrikanischen Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention. Das ursprüngliche Ziel war mit 40 Prozent bis Ende dieses Jahres weitaus ambitionierter.

Der scheidende Afrika-Beauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), hat deshalb am Mittwochmorgen auf die „Ungerechtigkeit“ der globalen Impfstoffverteilung hingewiesen. „Reiche Staaten kaufen den Markt leer“, sagte Nooke dem „Deutschlandfunk“. Zudem hätten die westlichen Staaten zu viel Impfstoff für sich behalten. Auch Deutschland könne mehr tun.

COVAX muss warten

Tatsächlich hat der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am 22. November berichtet, er habe eine Lieferung des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs Comirnaty® an das internationale Hilfsprogramm COVAX gestoppt – zugunsten der inländischen Booster-Kampagne.

Das scheint gängige Praxis zu sein. Das Ziel der reicheren Länder und privater Hilfsorganisationen, bis Ende dieses Jahres zwei Milliarden Corona-Impfdosen für ärmere Länder bereitzustellen, haben die in der Internationalen Impfstoff-Allianz (GAVI) verbundenen Staaten und private Geldgeber aufgegeben.

Es seien bislang lediglich 500 Millionen Dosen zusammengekommen. Von den 95 Millionen Dosen, die Deutschland zur Verfügung gestellt habe, seien bislang erst 15 Millionen angekommen. Nooke wies auf logistische Probleme bei Impfstofflieferungen nach Afrika hin. Die Haltbarkeit der Stoffe sei begrenzt, oft fehle das Spritzbesteck.

Ärzte ohne Grenzen fordern Patentrechte für Afrika

Die Hilfsorganisation „One“ stellt das Auftreten der Omikron-Variante in einen Zusammenhang mit den schwachen Impfquoten in Afrika. „Der Schlüssel für den Weg aus der Pandemie ist die Impfung, und die muss überall auf der Welt verfügbar gemacht werden“, sagte der Direktor von One Deutschland Stephan Exo-Kreischer in dieser Woche. Adressaten waren die Gesundheitsminister der G7-Staaten, die sich am Montag wegen Omikron zusammenschalteten.

Im Zusammenhang mit Omikron haben Ärzte ohne Grenzen und weitere Hilfsorganisationen im Vorfeld der am Mittwoch (1. Dezember) beginnenden Gespräche der Welthandelsorganisation (WTO) am Dienstag eine sofortige Aussetzung der Patentrechte für Corona-Impfstoffe gefordert. So soll eine Produktion vor Ort möglich werden. Der Weg aus der Pandemie gelinge nur über eine weltweite Produktion an vielen Standorten.

BioNTech will in Afrika produzieren

Die Freigabe der Patente löse die akuten Probleme nicht, sagt dagegen Nooke. Es dauere zu lange, um eine effektive Impfstoffproduktion aufzubauen. Die ersten Ansätze, in afrikanischen Ländern pharmazeutische Kapazitäten aufzubauen wie etwa Abfüllanlagen seien dagegen vielversprechend.

Das Mainzer Unternehmen BioNTech will eigenen Angaben zufolge Mitte 2022 mit der Impfstoffproduktion in Afrika beginnen. Gespräche werden wohl mit Ruanda und dem Senegal geführt. In einem ersten Schritt sollen pro Jahr 50 Millionen Dosen Impfstoff in Afrika hergestellt werden. Perspektivisch soll das Know-how an afrikanische Partner übertragen werden.

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