Corona-Impfstrategie in den Medien

Laumann: „Riesenrespekt vor Corona-Impflogistik“

In nur wenigen Wochen – viel schneller als erwartet – werden wahrscheinlich die ersten SARS-CoV-2-Impfstoffe auch in der EU zugelassen. Eine Riesenherausforderung für Impflogistik und -regime. Wie die Länder und STIKO damit umgehen, diskutierten Experten nun im Fernsehen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Symbolisches altes Ticket für eine Impfung gegen das Corona-Virus.

Symbolisches altes Ticket für eine Impfung gegen das Corona-Virus. Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen sowie Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen sollen bevorzugt geimpft werden - doch wie werden sie zur Impfung eingeladen?

© Torsten Sukrow / SULUPRESS.DE / picture alliance

Berlin. Eine möglichst rasche Impfung von mindestens 60 bis zu 80 Prozent der Bevölkerung ist die große Hoffnung im Kampf gegen das Coronavirus. Und im Bestreben, schrittweise in den gewohnten Lebensalltag zurückzukehren. Das erfordert Kraftakte bei der Logistik, der Prioritätensetzung bei der Impfstrategie und in der Kommunikation von Wirkung und möglichen Risiken der Impfung.

„Ich habe einen Riesenrespekt vor der logistischen Aufgabe – ein Versagen wird nicht vergessen“, artikulierte Nordrhein-Westfalen Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann Montagabend in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ seine akute Sorge. Allein in NRW sollen in den Impfzentren, die jetzt bundesweit von den Kommunen aufgebaut werden, 100.000 Menschen täglich geimpft werden. Dazu muss erst einmal das notwendige Personal rekrutiert werden: Ärzte, Krankenschwestern, MFA.

Einladungsschreiben über Einwohnermeldeamt und Pflegekassen

Um einen geordneten Ablauf zu sichern, wird es den Bundesbürgern nicht möglich sein, auf eigene Faust ein Impfzentrum anzusteuern. Die vulnerable Gruppe der älteren Menschen könnte von den Einwohnermeldeämtern identifiziert, angeschrieben und zur Impfung aufgefordert werden, so Laumann. Die Pflegekassen könnten die Pflegebedürftigen identifizieren und informieren.

Über aufsuchende Impfprogramme könnten Bewohner von Heimen und deren Personal geimpft werden. Eine größere Herausforderung, so Laumann, werde es sein, zu Hause versorgte, kaum mobile pflegebedürftige Menschen zu erreichen. Hier könnte auf Hausärzte eine Aufgabe zurollen.

STIKO fehlen noch Impfstoff-spezifische Daten

Voraussetzung für ein nach Prioritäten arbeitendes Einladungssystem sind die Impfempfehlungen der STIKO. Vorarbeiten dazu hat der Deutsche Ethikrat erarbeitet, der vulnerable Gruppen identifiziert hat: aufgrund ihres Alters und chronischer Erkrankungen, ihrer Risiken für eine Infektion, einen schweren Verlauf und Mortalität. Ähnliches gilt auch für Gesunde mit erhöhtem Risiko: Gesundheitspersonal, Polizei und Lehrer. Mit den Vorarbeiten, so der STIKO-Vorsitzende Professor Thomas Mertens am Montagabend, sei man fast fertig. Für die Konkretisierung benötige die STIKO aber noch die Impfstoff-spezifischen Zulassungsdaten, aus denen die präzisen Eigenschaften des Impfstoffs zur Wirksamkeit in unterschiedlichen vulnerablen Gruppen hervorgehen. Darauf basierend lässt sich eine Strategie mit dem bestmöglichen Effekt auf Morbiditäts- und Mortalitätsraten entwickeln.

Hausärzte als Kommunikatoren gefragt

Die dritte Herausforderung ist eine überzeugende Kommunikationsstrategie. Günstig sei es, so die Heidelberger Medizinpsychologin Professor Monika Siewerding, dass das Vertrauen der Bürger in die Regierung, besonders aber in die Hausärzte, groß sei – gerade sie könnten viele Befürchtungen zerstreuen.

Das ist aber kein Grund, sich sicher zu fühlen: Eine im November veröffentlichte Kantar-Repräsentativumfrage unter je 1000 Bürgern in Deutschland, USA, Großbritannien, Frankreich und Italien zeigt, dass der Anteil derer, die sich „definitiv“ impfen lassen wollen, seit Juni in allen Ländern zurückgegangen ist. In Deutschland liegt die unbedingte Impfbereitschaft noch bei 35 Prozent – viel zu wenig, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Als Ursache wird angenommen, dass die außergewöhnliche Geschwindigkeit des Zulassungsprozedere Befürchtungen aufkeimen lässt, dies gehe auf Kosten der Sicherheit.

Sieverding und der ARD-Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar plädieren deshalb dafür, alle Datenerhebungen nach der Zulassung transparent und glaubwürdig für die Bevölkerung aufzubereiten. Das sei dringend notwendig, um bei auftretenden seltenen Nebenwirkungen eine proaktive Strategie zur Verfügung zu haben, insbesondere auch, um die Wahrnehmung der Auffrischungsimpfung zu sichern.

Mehr zum Thema

Vor dem World Health Assembly

WHO-Pandemieabkommen noch lange nicht konsensfähig

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Nach Koronararterien-Bypass-Operation

Studie: Weniger postoperatives Delir durch kognitives Training

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen