Darmkrebs
"Männer müssen früher zur Vorsorge gehen dürfen"
Fünf Jahre zu spät kommt die Darmkrebsvorsorge für Männer, kritisiert Professor Jürgen Riemann von der Stiftung LebensBlicke.
Veröffentlicht:Professor Jürgen Riemann: Der Lebensstil ist ja einer der wichtigen Gründe, warum sich bestimmte Erkrankungen, zum Beispiel Darmkrebs, aber auch Herz-KreislaufErkrankungen oder Diabetes, in die jüngeren Jahre verlagern.
In den Vereinigten Staaten ist das Auftreten von Darmkrebs bereits um zehn Jahre vorverlegt, vor allem bei den jüngeren Übergewichtigen. Die sind bekannterweise verstärkt gefährdet, an Darmkrebs zu erkranken.
Das geht auch uns in Deutschland etwas an: 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung sind übergewichtig und damit einem Risiko ausgesetzt.
Ein besonderes Erkrankungsrisiko für Darmkrebs haben dabei Männer. Woran liegt das?
Riemann: Das war schon immer so. Das liegt auch am Lebensstil. Etwa an der Ernährung: Männer haben eher ungünstige Ernährungsgewohnheiten, essen faserarm und fettreich, so zum Beispiel auch mehr rotes Fleisch, Frauen essen eher körperbewusster.
Rotes und fettes Fleisch ebenso wie bestimmte Kohlenhydrate sind proinflammatorisch und können Entzündungsprozesse im Organismus initiieren, die eine mögliche Verbindung zur Krebsentstehung sind. Möglicherweise ist ein weiterer Grund ein Unterschied im Hormonhaushalt.
Diese Unterschiede sind umso problematischer, als immer noch vorrangig Frauen zur Darmkrebsvorsorge gehen. Frauen sind es einfach eher gewohnt, zur Vorsorge zu gehen. Es gibt ja auch einen Frauenarzt, aber noch keinen etablierten Männerarzt. Die Männer holen jetzt aber ein bisschen auf.
Was ist die Konsequenz daraus?
Riemann: Mir ist wichtig, dass Männer früher Vorsorge in Anspruch nehmen dürfen. Männer sollten nicht erst mit 55 Jahren zur Koloskopie eingeladen werden, sondern fünf Jahre früher, mit 50. Und sie sollten auch fünf Jahre früher, mit 45 Jahren, zum Stuhltest kommen.
Experten sind überzeugt davon, dass das gut ist, aber man muss immer wieder darauf hinweisen, dass man damit einer bestimmten Gendergruppe noch mehr helfen kann.
Das müsste dann auch fünf Jahre früher vergütet werden ...
Riemann: Ja natürlich, das ist aber eine Aufgabe an die Politik, den Krankenkassen zu sagen: "Das muss so sein!" Das halte ich für extrem wichtig.
Stichwort Politik: Die Einladung zur Koloskopie war bereits 2013 im Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz angedacht. Wie ist da der Stand?
Riemann: Im Augenblick halten die Leute sich sehr bedeckt. Es wird noch beraten, denn es sind wie immer sicher auch Bremser im System. Denn die Krankenkassen werden wohl einladen müssen. Es muss jetzt geklärt werden, wie das geht: regional oder nach Bundesländern und so weiter. Das sind viele Einzelfragen mit vielen Beteiligten.
Ich habe nicht den Eindruck, dass die derzeitigen Beratungen zu dem Thema transparent sind. Ich finde, die Öffentlichkeit hat ein Anrecht zu wissen, wie es damit steht, wann das Gesetz dann kommt und wie es am Ende aussieht. Ich bin aber sicher, dass der Gemeinsame Bundesausschuss noch in diesem Jahr einen Schlussstrich unter das Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz ziehen wird.