Bericht der Nationalen Präventionskonferenz
Maßnahmen für ein gesundes Leben mit unklarer Wirkung
Die Träger der Nationalen Gesundheitskonferenz geben Einblicke, ob und wie Gesundheitsförderung in Lebenswelten funktioniert. Der Bericht lässt die Defizite des Präventionsgesetzes klar erkennen.
Veröffentlicht:Berlin. Die Partner der Nationalen Präventionskonferenz (NPK) haben ein teilweise selbstkritisches Urteil über ihre bisherige Arbeit gefällt. Die Bundesregierung indes hält die Umsetzung des Präventionsgesetzes für „erfolgreich“.
Zur Erinnerung: Durch das 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz wurde eine sehr komplexe Struktur geschaffen, die Krankenkassen verpflichtet, mit weiteren Sozialversicherungsträgern eine gemeinsame nationale Präventionsstrategie zu entwickeln. Oberstes Koordinierungsgremium ist die NPK, die alle vier Jahre einen Bericht vorlegt. Dieser soll der „Dokumentation, Erfolgskontrolle und Evaluation“ dienen, heißt es im Gesetz. Doch genau das leistet das mehr als 300-seitige Konvolut kaum.
„Tragfähige Strukturen“ entwickelt
Denn die Träger der NPK – GKV-Spitzenverband, Gesetzliche Unfallversicherung, Deutsche Rentenversicherung und die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau – haben nach eigenen Angaben „vornehmlich eine Bestandsaufnahme“ vorgelegt. Darin konstatieren sie, dass es gelungen sei, „tragfähige Strukturen und koordinierte Prozesse“ für die Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie zu entwickeln.
Auch die Bundesregierung ist hier voll des Lobes. Erstmals lägen nun trägerübergreifende Strukturen und ein „Gestaltungsrahmen“ für die lebensweltbezogene Gesundheitsförderung und Prävention vor, heißt es. Drei sehr abstrakte am Lebenslauf orientierte Ziele sind demnach festgelegt worden: Gesund aufwachsen, gesund leben und arbeiten sowie gesund im Alter.
Durch Bundes- und Landesrahmenempfehlungen wurde festgelegt, welche Leistungen die einzelnen Sozialkassen in welchem Kontext zu erbringen haben. Auf Basis des Berichtsjahrs 2017 addieren sich die Präventionsausgaben aller Partner auf 1,8 Milliarden Euro. Doch welche Wirkung die Vielzahl an Maßnahmen gehabt hat, sei „nicht erkennbar“, heißt es im Bericht.
Dies gibt auch die Regierung zu: Der Wissensstand zur Wirksamkeit und zum Nutzen von Leistungen der Gesundheitsförderung und Prävention sei „noch immer relativ gering und uneinheitlich“. Und dies, obwohl mit dem Lebensweltansatz versucht wird, konkret die Verhältnisse in Kitas, Schulen und Betrieben zu verbessern.
Knirschen an den Schnittstellen
Eine Online-Erhebung der NPK hat ergeben, dass es an mehreren Schnittstellen noch knirscht. „Noch nicht zufriedenstellend“ klappt etwa die Zusammenarbeit der Sozialkassen mit den Kommunen. Hier lautet die Empfehlung, sowohl den Öffentlichen Gesundheitsdienst als auch die Kinder- und Jugendhilfe stärker einzubeziehen.
Freilich fallen in vielen Kommunen diese als Partner einer lebensweltbezogenen Gesundheitsförderung wichtigen Akteure wegen finanzieller und personeller Schwachbrüstigkeit aus.
Weiterhin ist die Gefahr groß, dass sich die Sozialträger bei ihren Aktivitäten verzetteln. Denn viel zu selten gelingt es, aus einem Gesundheitsmonitoring datenbasierte Nachweise abzuleiten, wo besonders dringend in Prävention investiert werden müsste.
Hauptprobleme jenseits der Leistungsspektren
Das Hauptproblem benennen die NPK-Partner selbst: Fehlernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel oder psychosoziale Belastungen werden durch Faktoren beeinflusst, die größtenteils jenseits der gesetzlichen Leistungsspektren der Sozialkassen liegen: Sie können weder flächendeckend für gesunde Gemeinschaftsverpflegung sorgen noch die Preisgestaltung und Verfügbarkeit von Alkohol und Zigaretten beeinflussen.
Die Kernbotschaft findet sich erst auf Seite 257 des Berichts: Wenn es nicht gelinge, Faktoren wie Arbeits- und Wohnbedingungen, soziale und materielle Ressourcen der Menschen stärker bei Prävention und Gesundheitsförderung zu berücksichtigen, dann können die „rein kompensatorischen Anstrengungen der Sozialversicherungsträger auch unter Aufwendung hoher finanzieller Mittel nicht den gewünschten Effekt auf ein gesundes Leben erzielen“.
225 Millionen Euro Ausgaben für verhaltensbezogene Prävention
Die Beurteilung der Regierung fällt dagegen kleinteiliger und weniger grundsätzlich aus. Deutlich ist das Resümee insbesondere bei der verhaltensbezogenen Prävention: Von den Gesamtausgaben der Kassen im Jahr 2019 in Höhe von 631 Millionen Euro entfielen allein auf diesen Posten rund 225 Millionen Euro.
Um gezielt Menschen zu erreichen, die Präventionsleistungen benötigen, wurde mit dem Gesetz die Möglichkeit für Ärzte geschaffen, im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen eine ärztliche Präventionsempfehlung auszusprechen. Davon werde noch „zu wenig Gebrauch gemacht“, konstatiert die Regierung.