Keine Barriere durch das Grundgesetz

Medizinrechtler sieht Corona-Impfpflicht durch Verfassung gedeckt

Bundesweit wird über die Einführung einer Impfpflicht gegen COVID-19 diskutiert – nicht nur in Krankenhäusern oder der Pflege. Das Grundgesetz stünde dem nicht entgegen, sagt ein Medizinrechtler.

Veröffentlicht:

Berlin. Das Grundgesetz gibt nach Auffassung des Göttinger Strafrechtlers Professor Gunnar Duttge Impfverweigerern nicht das Recht, andere Menschen durch uneinsichtiges Verhalten zu gefährden.

„Dass das Grundgesetz eine Impfpflicht nicht zulasse, ist ein weit verbreiteter Irrtum“, sagte der Leiter der Abteilung für Medizin- und Biorecht an der Universität Göttingen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag): „In Wirklichkeit kann der Staat unter Wahrung des Ordnungsrahmens der Grundrechte sehr viel machen.“

Die Angst vieler Politiker vor ablehnenden Urteilen aus Karlsruhe sei übertrieben, sagte er weiter: „Das Menschenbild des Grundgesetzes war nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nie das eines isolierten souveränen Individuums.“ Stets habe Karlsruhe von der „Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit“ des Einzelnen gesprochen. Der juristische Maßstab bleibe – in welcher Lage auch immer – die Frage der Verhältnismäßigkeit: „Der Staat darf sukzessive eskalieren, um Leib und Leben von Menschen zu schützen.“

Vergleich mit Trunkenheitsfahrten

Wenn in der Coronavirus-Pandemie eine Situation erreicht werde, in der aus medizinischer Sicht jeder mitwirken müsse, um eine Gefahr für alle abzuwenden, „dann muss man es machen“. Zwar sei es richtig, zunächst aufs mildere Mittel des Ordnungswidrigkeitsrechts zu setzen und etwa Geldbußen zu verhängen. Bei einer Zuspitzung der Gefahren und im Fall hartnäckiger Verweigerer seien aber auch Strafen nach dem Strafgesetzbuch denkbar.

Duttge verwies dabei auf Paragraf 316 des Strafgesetzbuchs, der für Trunkenheitsfahrten mit mehr als 1,1 Promille Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr androht. Schon nach geltendem Recht werde also ein typischerweise gefährliches Handeln als solches generell unter Strafe gestellt – ohne dass es auf die konkrete Gefährdung identifizierbarer anderer Menschen ankomme. (KNA)

Mehr zum Thema

Kritik an „Suizidtourismus“ in den USA

Mehrere US-Bundesstaaten wollen Beihilfe zum Suizid erlauben

Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

© Springer Medizin Verlag

Intens. Video-Podcast

Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Arzt im Gespräch mit Patientin

© Ground Picture / shutterstock

STIKO-Empfehlungen

Handlungsbedarf bei Grippeschutz für Chroniker

IPD-Fallzahlen & Pneumokokken-Impfung bei Kindern in Deutschland

© Olivier Le Moal - stock.adobe.com

Content Hub Impfen

IPD-Fallzahlen & Pneumokokken-Impfung bei Kindern in Deutschland

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“