Ohne Deckel und Budget

NRW-KVen wollen Honorar-Wende

Zwei Veranstaltungen, ein Tenor: Honorarbudgets in der bisherigen Form müssen weg, fordern Vertreter in Nordrhein und Westfalen-Lippe. Letztere beschränken sich auf die Ausdeckelung der Grundversorgung.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Kämpfen für eine Wende in der Honorarpolitik: Bernhard Brautmeier, Vorstandschef der KV Nordrhein (l.), und Dr. Wolfgang-Axel Dryden, Vorstandsvorsitzender der KV Westfalen-Lippe.

Kämpfen für eine Wende in der Honorarpolitik: Bernhard Brautmeier, Vorstandschef der KV Nordrhein (l.), und Dr. Wolfgang-Axel Dryden, Vorstandsvorsitzender der KV Westfalen-Lippe.

© [M] ill/F: iss, KVWL

DÜSSELDORF/DORTMUND. Bernhard Brautmeier, Vorstand der KV Nordrhein (KVNo), hat sich ein neues Ziel auf die Fahnen geschrieben: die Abschaffung der Budgets.

"Wir müssen anfangen, diese Forderung aufzustellen", sagte Brautmeier bei der KVNo-Vertreterversammlung (VV) in Düsseldorf.

Es sei klar, dass sich ein Ende der Budgetierung nicht kurzfristig durchsetzen lasse, aber die Zeit sei reif. "Wenn wir die Forderung oft genug stellen, werden wir es irgendwann schon erreichen", sagte er der "Ärzte Zeitung".

Die Honorarverteilung sei inzwischen sehr unübersichtlich geworden und könne aufgrund der Vielzahl an Regelungen den Ärzten nicht mehr erklärt werden. Das liege im Wesentlichen am Gesetzgeber, sagte Brautmeier.

Honorarsystem nicht reformierbar?

Er verwies darauf, dass Franz Knieps - der einflussreiche ehemalige Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium - das ärztliche Honorarsystem als "nicht reformierbar" bezeichnet hatte. "Eine Reform wäre sehr leicht möglich. Man müsste die Budgets abschaffen", hielt Brautmeier dem entgegen.

Es sei nicht länger akzeptabel, dass die niedergelassenen Ärzte in ihren Praxen Budgets verwalten müssen, deren Höhe sie im Zweifel gar nicht kennen, und dass sie Leistungen erbringen sollen, selbst wenn die Budgets längst erschöpft sind. "Das ist nicht normal."

Mit der Forderung nach der Abschaffung der Budgets wolle er nicht davon ablenken, dass die KV Lösungen für akute Probleme finden müsse, betonte er. Der mit den Krankenkassen vereinbarte Honoraranstieg um 5,15 Prozent sei zwar ein Erfolg.

Insgesamt sei die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in Nordrhein seit 2009 um 10,2 Prozent gestiegen. "Für bestimmte Fachgruppen ist das ein Tropfen auf den heißen Stein, man muss es leider sagen."

Bei der Vergütung sei langsam eine Demarkationslinie erreicht, sagte der Orthopäde Dr. Andreas Gassen.

"Wir können nicht mit Bonsai-Regelleistungsvolumina die Leistungsversprechen der Krankenkassen erfüllen." Er sicherte Brautmeier Unterstützung zu: "Die Budgets müssen weg."

Solidarität mit Fachärzten

Auch die HNO-Ärztin Dr. Christiane Friedländer begrüßte den Vorstoß. "Wenn Sie zur Politik gehen und sagen: Wir als Körperschaft können die Versorgung nicht mehr sicherstellen, dann werden wir Sie begleiten", ermunterte sie den KVNo-Vorstand.

Mit der Verabschiedung zweier Anträge drückte die VV den fachärztlichen Grundversorgern, die sich in Nordrhein in einer schwierigen Honorarsituation befinden, ihre Solidarität aus.

Zum einen teilen die Vertreter die Auffassung, dass angesichts der Unterfinanzierung eine ausreichende Sicherstellung der Versorgung nicht mehr gewährleistet ist.

Zum anderen votierten sie dafür, aus den für die Fachärzte ausgehandelten Honorarzuwächsen zunächst die von der KBV beschlossenen fachärztlichen Strukturpauschalen in voller Höhe auszuzahlen.

"Die verbleibenden Mittel sollen dann asymmetrisch, unter besonderer Berücksichtigung der fachärztlichen Grundversorgung, verteilt werden", heißt es.

Grundversorgung ohne Budget

Einen ähnlichen Akzent hat die KV Westfalen-Lippe bei ihrer jüngsten Vertreterversammlung in Dortmund gesetzt: Sie fordert eine komplette Ausdeckelung der wohnortnahen Grundversorgung.

Die Leistungen von Haus- und Fachärzten in der Grundversorgung inklusive des organisierten Notdienstes sollten künftig in voller Höhe extrabudgetär vergütet werden, forderte der KVWL-Vorsitzende Dr. Wolfgang- Axel Dryden bei der Vertreterversammlung in Dortmund. "Das schafft Planbarkeit, Sicherheit und damit Anreize zur Niederlassung."

Damit wäre auch auf dem Lande und in sozialen Brennpunkten eine ärztliche Versorgung möglich, Ärzte könnten ihre Praxen mit den Honoraren der gesetzlichen Krankenversicherung bestreiten, sagte Dryden.

"Wer eine für die Bevölkerung erreichbare Grundversorgung will, muss materielle Sicherheit schaffen."

Kalkulierbares Risiko für Kassen

Bei der Definition der Grundversorgung orientiert sich der KVWL-Chef an den Ebenen eins und zwei der neuen Bedarfsplanung.

Das ist zum einen die hausärztliche Versorgung und zum anderen die allgemeine fachärztliche Versorgung, die Augenärzte, Chirurgen, Frauenärzte, HNO-Ärzte, Hautärzte, Nervenärzte, Neurologen und Psychiater, Orthopäden, Urologen und Kinderärzte umfasst.

Da diese Arztgruppen in weiten Teilen über Pauschalen honoriert werden, sei die extrabudgetäre Vergütung planbar, sagt er.

"Die Schwankungsbreite und damit das Risiko für die Krankenkassen ist gering." Die Fallzahl bleibe ein Risiko, doch dafür könne man je nach dem Versorgungsbedarf flexible Lösungen finden.

Die extrabudgetäre Vergütung für die in der Grundversorgung tätigen niedergelassenen Ärzte gehört zu einem Forderungskatalog, mit dem sich die KVWL in den Monaten vor der Bundestagswahl Gehör verschaffen will.

Die weiteren Punkte: das Verschwinden der Kassenbürokratie aus den Arztpraxen, die Abschaffung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen und der auf ihnen basierenden Regresse, der Erhalt der PKV sowie die Ausrichtung von Ausbildung und Weiterbildung an den Erfordernissen der Versorgung.

"Als KVWL werden wir uns bei der Politik intensiv mit diesen Forderungen einbringen", versprach Dryden. Er forderte die VV-Mitglieder auf, sich in Gesprächen mit Kollegen und Bürgern für diese Belange stark zu machen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Argumentativer Spagat

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Kommentare
Dr. Ivar Leben 19.02.201314:59 Uhr

Wegfall Budget RLV

Wie kann dieses Geldvolumen planbar sein, falls das Budget für Grundversorger wegfällt, denn die Fallzahlen und Leistungen würden imens steigen ?
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