Hirntoddiagnostik

Neue Richtlinie noch dieses Jahr

Seit Wochen köchelt eine Debatte über die Hirntoddiagnostik. Jüngst legte der scheidende DSO-Chef nach. Jetzt wehrt sich die BÄK - und nennt erstmals einen Termin für die neue geplante Hirntodrichtlinie.

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Fordert vor allem sachliche Debatten über die Hirntoddiagnostik: Professor Peter Scriba, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der BÄK.

Fordert vor allem sachliche Debatten über die Hirntoddiagnostik: Professor Peter Scriba, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der BÄK.

© Michael Jung / dpa

MÜNCHEN. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer (BÄK) setzt sich gegen Kritik zur Wehr, die Überarbeitung der Richtlinien zur Hirntoddiagnostik dauere zu lange - und hat erstmals einen möglichen Termin für die Fertigstellung genannt.

"Die Neuregelungen müssen mit allen Beteiligten ganz genau abgewogen werden. Das ist ein aufwendiger Prozess", sagte Professor Peter Scriba der "Ärzte Zeitung". Der Münchner Internist ist Vorsitzender des Beirats. Hintergrund für die Replik sind Äußerungen des scheidenden Vorstands der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Dr. Rainer Hess.

In einem Interview hatte er die "seit mehreren Jahren" im Beirat anhaltenden Diskussionen über die neue Richtlinie zur Hirntodfeststellung als "fatal" bezeichnet. Die Hirntod-Debatte war jüngst erneut aufgekeimt, nachdem Medien über Fehler bei der Diagnostik berichtet hatten.

Die Richtlinien werden derzeit auf den aktuellen Stand der Wissenschaft gebracht. "Wenn es einigermaßen gut läuft, müssten wir es schaffen können, den Richtlinienentwurf bis zum Jahreswechsel dem Vorstand der BÄK vorzulegen", sagte Scriba. Er ließ durchblicken, dass man "keine sensationellen Neuerungen" erwarten dürfe.

Scriba verteidigte den Prozess der Richtlinienüberarbeitung, der bereits vor Hess von Kritikern als zu zäh moniert wurde. Solche Novellen müssten gut vorbereitet werden, um dem BÄK-Vorstand eine solide Beschlussempfehlung vorlegen zu können, sagte er. Neben klinischen Fragen über die Hirntodsymptome seien auch technische zur Diagnostik zu beantworten.

Zahlreiche Expertenmeinungen muss die Arbeitsgruppe denn auch berücksichtigen. Und hierin liegt für Scriba die Krux: Denn die Debatte über die Richtliniennovelle dreht sich nicht nur um die Qualität der Diagnostik als solche, sondern zunehmend auch um die Qualifikation der Untersucher.

Jüngst hatten etwa Neurologen und Neurochirurgen einen Diagnostikvorbehalt für ihre Fächer und später sogar die Einführung einer Zusatzbezeichnung "Hirntoddiagnostik" gefordert. Doch mit jeder dieser Forderungen wächst die innerärztliche Debatte, verzögert sich womöglich die Richtliniennovelle.

Für Scriba stecken hinter solchen Forderungen denn auch nicht nur hehre Qualitätsansprüche, sondern oftmals pure Partikularinteressen. Und so bilden sich auch in der Debatte um die Hirntoddiagnostik zwei Lager: Eine Gruppe plädiert für wenige Zentren mit hochqualifizierten und zertifizierten Neurologen als Untersucher. Die andere Seite will hingegen diese Diagnostik in der Fläche erhalten und setzt deswegen - so wie heute schon in den Richtlinien vorgeschrieben - auf eine breitere Basis an Fachgebieten, darunter auch Intensivmediziner.

Scriba will die Forderungen seiner Kollegen nicht per se schlecht finden. "Man muss prüfen, ob ihr Anliegen berechtigt oder wirklich nur Monopolstreben ist", sagte er. Vorsicht sei bei der Hirntoddiagnostik jedoch angebracht, wenn man beispielsweise mit schärferen Qualifikationen "anderen etwas wegnimmt, die das heute schon gut können, und damit einen Engpass schafft".

Derzeit arbeitet die Arbeitsgruppe des Beirats - laut Scriba "prinzipiell ohne Transplantationsexperten, um jeden möglichen Conflict of Interest zu vermeiden" - noch an ihrer Empfehlung zur Richtliniennovelle.

Auch die jüngsten Forderungen haben die Experten im Blick. Scriba: "Das kostet uns noch etwas Zeit, die Kollegen alle dazu zu bringen, dass sie sich einem vernünftigen Vorschlag anschließen. Das ist doch ganz klar, dass man das nicht über das Knie brechen kann."

Am Ende könnte eine differenzierte Beschlussvorlage stehen, die verschiedene Empfehlungen und deren Konsequenzen aufzeigt. Dann liegt es in der Hand des BÄK-Vorstands, abzuwägen und zu entscheiden.

Bis dahin wünscht sich der Beiratschef allerdings weniger Aufgeregtheiten und mehr sachliche Debatten. Im Juni jedenfalls soll die Anhörung der Fachkreise eingeleitet werden. Wenn dann ein Beschlussentwurf im Vorstand und Plenum des Wissenschaftlichen Beirats vorliegt, könnte über den überarbeiteten Richtlinienentwurf noch in diesem Jahr entschieden werden. (nös)

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