Kassenfinanzen

Pandemie frisst die Reserven bei Kassen und Gesundheitsfonds

Rettungsschirme, Schutzausrüstung, Mindereinnahmen: Die hohen Ausgaben für die Corona-Pandemie setzen der GKV zu.

Von Florian Staeck Veröffentlicht:
Die Ausgabenpflichten der Kassen zehren die Reserven langsam auf.

Die Ausgabenpflichten der Kassen zehren die Reserven langsam auf.

© BK / fotolia.com

Berlin. Die Reserven im Gesundheitsfonds von zuletzt rund zehn Milliarden Euro werden im laufenden Jahr schneller schmelzen als Schnee in der Sonne. Auf die Kassen kommen massiv steigende Ausgaben zu. Das geht aus einer Analyse der Unternehmensberatung McKinsey hervor, in der die Folgekosten der Corona-Pandemie für die GKV abgeschätzt werden.

Das düstere finanzielle Panorama hat mehrere Facetten:

  • Beitragseinnahmen der Kassen: Der Schätzerkreis ging im vergangenen Oktober noch von einem Anstieg von 3,8 Prozent aus. Die Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute vom April sieht nur noch ein Wachstum der beitragspflichtigen Einnahmen von 0,5 Prozent. Im Ergebnis tut sich eine Lücke zwischen den erwarteten Einnahmen des Fonds und den zugesagten Zahlungen an die GKV in Höhe von fünf bis sieben Milliarden Euro auf. Dies könnte der Fonds aus seinen Finanzreserven für 2020 noch stemmen – allerdings wird dann die gesetzliche Mindestreserve von rund vier Milliarden Euro vermutlich bereits unterschritten.
  • Leistungsausgaben der Kassen: Die direkten Kostenwirkungen von COVID-19 beziffern die McKinsey-Autoren auf zehn bis 15 Euro je Versicherten – Mehrkosten für Schutzausrüstung und die höhere Nachfrage nach Krankengeld. Weiterhin greift der Bund über diverse Schutzschirme direkt in die Finanzarchitektur der GKV ein. Den stärksten Effekt erwarten die Autoren bei Krankenhäusern mit Mehrausgaben von 35 bis 40 Euro je Versicherten. Dieser Betrag ergibt sich als Saldo mehrerer Faktoren: Die Minderausgaben in Kliniken durch die starken Fallrückgänge werden mit 50 bis 60 Euro je Versicherten beziffert. Ausgabentreibend sind das erhöhte Pflegeentgelt (50 bis 60 Euro je Versicherten), die verringerte Prüfquote bei Krankenhaus-Rechnungen (25 bis 30 Euro) sowie Kosten für zusätzliche Schutzausrüstung (etwa fünf Euro je Versicherten). Die Ausgabeneffekte der übrigen Leistungsbereiche werden – je nach Posten – mit minus fünf bis plus zehn Euro je Versicherten angegeben.

Neuer Schutzschirm kostet extra

  • Stark rückläufige Ausgaben von 15 bis 20 Euro je Versicherten hatten die Autoren bei Heilmitteln erwartet. Inzwischen hat die Bundesregierung indes mit einer Verordnung den Schutzschirm auch auf diese Leistungserbringer erweitert. Das Finanzvolumen dieser Hilfen wird auf 970 Millionen Euro taxiert und ist in der Analyse noch nicht berücksichtigt.
  • Insgesamt werden den Kassen im laufenden Jahr je Versicherten rund 170 Euro an Liquidität fehlen, schätzt McKinsey. Das entspricht rund 60 Prozent der monatlichen Ausgaben für einen Versicherten. Die Kassen seien insoweit herausgefordert, ihre Zahlungsfähigkeit „zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen“.
  • Auch ohne Corona wäre der kostendeckende Zusatzbeitrag durch die Reformkaskade von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im laufenden Jahr um 0,1 Punkte auf 1,09 Prozent gestiegen. Nach McKinsey-Schätzungen kommen nun 0,05 Punkte hinzu. Im Wahljahr 2021 wird der Anstieg auf mindestens 0,33 Punkte – und damit auf 1,5 Prozent Zusatzbeitrag – geschätzt. Das Zurückbleiben der beitragspflichtigen Einnahmen hinter den ursprünglichen Annahmen schlägt dann voll in der GKV durch.
  • Der Streit um die Abfederung der Pandemie-Kosten ist schon aktuell entbrannt. Die grüne Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink fordert einen Schutzschirm für die GKV. Der Bundeszuschuss, bislang 14,5 Milliarden Euro, müsse in diesem und im kommenden Jahr erhöht werden.

Schutzschirm-Kosten

  • Der Umfang der bisherigen Rettungsschirme wird von McKinsey auf fünf Milliarden Euro taxiert. Allein die Kompensation von Einnahmeausfällen der Kliniken für das Verschieben nicht dringender Eingriffe wird mit vier Milliarden Euro angegeben.
  • Die Kosten für das Aufstellen zusätzlicher Intensivbetten wird auf 1,5 Milliarden Euro beziffert.
  • Die Einnahmeausfälle von Reha-Einrichtungen werden im Umfang von 50 bis 100 Millionen Euro ausgeglichen.
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