RWI-Gutachten

Steuerzuschuss in der GKV: Bescheidene Entlastung für Familien

Von 14,5 Milliarden Euro GKV-Steuerzuschuss kommen nur drei Milliarden Euro Familien zu Gute, haben RWI-Gutachter errechnet. Und Eltern mit PKV-versicherten Kindern gucken bislang völlig in die Röhre.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Familienförderung durch den GKV-Steuerzuschuss? Profitieren tun vor allem andere – ohne Kinder, haben Wissenschaftler des RWI ermittelt.

Familienförderung durch den GKV-Steuerzuschuss? Profitieren tun vor allem andere – ohne Kinder, haben Wissenschaftler des RWI ermittelt.

© katyspichal / stock.adobe.com

Köln. Wissenschaftler des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI sehen Verbesserungsbedarf bei der Krankenversicherung für Kinder. Sie bemängeln zwei Defizite beim Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der unter anderem der Finanzierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern dienen soll: Er komme nur zu einem geringen Anteil Familien mit Kindern zugute, zudem würden privat versicherte Kinder gegenüber den gesetzlich versicherten benachteiligt.

Die Studie „Sachgerechte Förderung von Kindern in der Krankenversicherung“ ist im Auftrag des Verbands der privaten Krankenversicherung (PKV) erstellt worden und basiert auf dem Jahr 2019, die Corona-Pandemie hat die Veröffentlichung verzögert. Nach Angaben von Studienleiter Professor Boris Augurzky sind die generellen Aussagen aber nach wie vor gültig.

Selbst gestecktes Ziel des Steuerzuschusses wird verfehlt

Das RWI konzentriert sich auf die familienpolitische Wirkung des 2004 eingeführten Bundeszuschusses aus allgemeinen Steuermitteln. Er lag 2019 bei 14,5 Milliarden Euro. Die Wissenschaftler verweisen darauf, dass der Zuschuss im Jahr 2007 in der Begründung zum Wettbewerbsstärkungsgesetz explizit als „Einstieg in eine teilweise Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben (beitragsfreie Mitversicherung von Kindern)“ beschrieben wurde.

Dieses Ziel wird nach ihrer Einschätzung allerdings verfehlt. Ein Grund: Durch den Steuerzuschuss reduziert sich der allgemeine Beitragssatz um rund ein Prozentpunkt. „Davon profitieren in erheblichem Maße auch kinderlose Versicherte mit hohem Einkommen.“

Die Wissenschaftler kommen in Simulationsrechnungen zu dem Ergebnis, dass GKV-Haushalte ohne Kinder stärker profitieren als Haushalte mit familienversicherten Kindern oder Alleinerziehende. Nach den Berechnungen kamen von den 14,5 Milliarden Euro nur knapp drei Milliarden Euro Haushalten mit familienversicherten Kindern zugute.

Familien viel weniger entlastet als erwartet

„Die Familien mit Kindern werden gar nicht so sehr entlastet, wie man es sich zunächst vorstellen würde“, sagt Augurzky der „Ärzte Zeitung“. Er ist Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit beim RWI. Hinzu komme ein weiterer Effekt: Privatversicherte Kinder profitieren überhaupt nicht, für sie muss ein eigener Beitrag entrichtet werden. Gleichzeitig beteiligen sich die Eltern über die Steuern an der Finanzierung des Bundeszuschusses für die GKV.

Das RWI stellt zwei Varianten vor, um die Situation zu verbessern. Für den besten Weg halten die Forscher die pauschale Förderung der Kinder für alle Haushalte mit Kindern. „Privat und gesetzlich versicherte Eltern würden eigenständige Krankenversicherungsbeiträge für ihre Kinder entrichten und könnten frei über den Versicherungsstatus der Kinder entscheiden.“ Dieses Modell wäre innerhalb der bestehenden GKV-Strukturen aber nur schwer umzusetzen, räumen sie ein.

Einfacher wäre eine steuerfinanzierte Förderung von Familien mit privatversicherten Kindern. „Die Förderhöhe könnte die durchschnittliche PKV-Prämie für einen Kindertarif in der PKV abbilden“, heißt es in der Studie. Der Tarif soll auf einen Basisschutz auf GKV-Niveau begrenzt werden.

Viele Ungleichbehandlungen von Kindern

Die Studie macht für Augurzky deutlich, dass sich die Modalitäten ändern müssen, um in der Krankenversicherung wirklich eine Förderung von Familien zu erreichen. „Im jetzigen System profitieren nur die, die in der GKV sind, und innerhalb der GKV ist zwar eine Familienwirkung vorhanden, sie ist aber kleiner, als man denkt.“

Die RWI-Studie zeige auf, dass es in der Krankenversicherung der Kinder zahlreiche Ungleichbehandlungen gebe, sagt Dr. Florian Reuther, Direktor des PKV-Verbands. „Das RWI liefert einen wissenschaftlichen Debattenbeitrag, wie eine diskriminierungsfreie Förderung von Familien und Kindern in der Krankenversicherung möglich ist.“

Steuerzuschuss für PKV-versicherte Kinder?

Einen steuerfinanzierten Zuschuss für privatversicherte Kinder sieht Professor Klaus Jacobs kritisch, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Er verweist auf die Alterungsrückstellungen in der PKV. „Es ist fraglich, ob der Steuerzahler Alterungsrückstellungen für die Kinder von Beamten und anderen Privatversicherten zahlen sollte.“

Bei der Diskussion über den Beitrag der Privatversicherten zur Steuerfinanzierung in der GKV darf ein Aspekt nicht vergessen werden, findet Jacobs: Der Zuschuss speist sich nur rund zur Hälfte aus direkten Steuern, die andere Hälfte stammt aus indirekten Steuern wie der Mehrwertsteuer. „Durch die indirekten Steuern werden aber Kleinverdiener überproportional belastet.“

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