Welttabakkonferenz in Genf

Tabakkontrolle im Schneckentempo?

Im Schatten der Weltklimakonferenz von Glasgow startet am Montag in Genf die Welttabakkonferenz. Fortschritte in der Bekämpfung der Tabakepidemie sind aber eher theoretischer Natur.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Schneckentempo beim Kampf gegen den Zigarettenkonsum

In vielen Ländern weltweit schreitet der Kampf gegen den Zigarettenkonsum anscheinend nur im Schneckentempo voran.

© Ismail Duru / AA / picture alliance

Genf. Die großen Player der westlichen Tabakindustrie pumpen Milliarden Euro und Dollar in die Entwicklung elektronischer Rauch- und teils auch Nikotinalternativen, um nach eigener Aussage Rauchern weltweit einen Umstieg auf – im Vergleich zu konventionellen Tabakzigaretten – weniger schädliche Alternativen zu ermöglichen.

Aus Sicht der 184 Signatarstaaten (Parties) des WHO-Tabakrahmenübereinkommens (Framework Convention on Tobacco Control/FCTC) stellt sich die Situation anders dar, verhalte sich die Tabakindustrie in puncto E-Dampf und Tabakerhitzer wie der Wolf im Schafspelz. „Da Tabakunternehmen ihre Taktik ändern und sich mehr denn je fälschlicherweise als Teil der Lösung der Tabakepidemie darstellen, bleiben sie entschlossen, neue Gewinne zu erzielen, um junge Menschen, Frauen und vulnerable Gesellschaftsgruppen zu gewinnen“, heißt es in einer Meldung des FCTC-Sekretariats im Vorfeld der am Montag in Genf beginnenden, virtuellen neunten Welttabakkonferenz COP 9.

Jährlich eine Million Tote durch Passivrauchen

Tabak bleibe das einzige Konsumprodukt, das bis zur Hälfte derer töte, die es im Herstellersinne verwendeten. Weltweit töte Tabak weiter alle vier Sekunden einen Menschen, würden rund acht Millionen Menschen jedes Jahr unnötig sterben. Noch viel schlimmer sei, dass eine Million dieser Todesfälle bei Nichtrauchern aufträte, die passiv dem Tabakrauch ausgesetzt seien. Der Tabakkonsum stehe, wird in Erinnerung gerufen, in direktem Zusammenhang mit den vier häufigsten nichtübertragbaren Krankheiten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronische Atemwegserkrankungen sowie Diabetes.

Dr. Adriana Blanco Marquizo, Leiterin des Konventionssekretariats, schlägt die Brücke zu Corona: „Inmitten der COVID-19-Pandemie ist die Tabakkontrolle wichtiger denn je, um die Gesundheit der Menschen zu erhalten und widerstandsfähigere Gemeinschaften zu gewährleisten, um dieser und jeder zukünftigen Pandemie zu begegnen. Die Tabakkontrolle, einschließlich der Mittel, die durch eine erhöhte Tabakbesteuerung aufgebracht werden, muss ein wesentlicher Bestandteil eines besseren Wiederaufbaus sein“.

Inhaltlich wurde das Programm wesentlich abgespeckt und auf die Nachfolgekonferenz COP 2023 verschoben, um physisch Face to Face statt virtuell diskutieren zu können. So wird die COP9 auch einen aktuellen Report zu den Rauchalternativen nur zur Kenntnis nehmen.

Unzureichende Studienlage

Offizieller Grund für die Verschiebung der Diskussion: Laut Bericht nimmt zwar die Fülle an Untersuchungen zur Schadensminimierung (Harm Reduction) durch die Rauchalternativen stets zu – allerdings sei das Gros durch Hersteller finanziert, mangele es an unabhängigen Studien.

Somit ist die Konzentration auf den uralten WHO-Ansatz des „Quit or die“ frei, wird der Rauchausstieg als alleiniges, probates Mittel zum Weg aus der Sucht gepriesen – ebenso wie die im Rahmenübereinkommen abgegebenen Empfehlungen zur Tabakkontrolle, wie zum Beispiel hohe Tabaksteuern. „Wir sehen die positiven Ergebnisse der breiten Akzeptanz des Vertrags, während die Vertragsparteien bei der Umsetzung seiner Maßnahmen voranschreiten“, so Blanco Marquizo. Die weltweite Raucherprävalenz bei Menschen ab 15 Jahre sei von 29 Prozent im Jahr 2005 – dem Jahr des Inkrafttretens des FCTC – auf 22 Prozent im Jahr 2019 zurückgegangen.

Wie dem Bericht auch zu entnehmen ist, werden in vielen Ländern auf normativer Ebene zwar Anti-Raucher-Gesetze erlassen und nationale Tabakstrategien verabschiedet, diese aber mangels finanzieller Ressourcen offensichtlich nicht stringent genug nachgehalten.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

EU-Pharma Agenda – Impulse für die Arzneimittelversorgung in Deutschland

Impulse für die Arzneimittelversorgung aus Patientenperspektive

Kooperation | In Kooperation mit: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda

Daten aus Europa

Brustkrebs bei jungen Frauen wächst aggressiver

Kriminalität

Lebenslange Haft in Folterprozess gegen syrischen Arzt

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Sexuelle Dysfunktion unter Antidepressiva!

© zoranm | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Metaanalyse

Sexuelle Dysfunktion unter Antidepressiva!

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Photosensibilisierung: So schützen Sie Ihre Patienten

© Studio4 | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Sommer, Sonne, Nebenwirkung?

Photosensibilisierung: So schützen Sie Ihre Patienten

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: LUMINANCE-Studie: Gesamtüberleben (OS) unter Behandlung mit EP (Etoposid + Platin) plus Durvalumab

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Kleinzelliges Lungenkarzinom

ED-SCLC: Real-World ähnliche Studie unterstreicht Effektivität von Durvalumab

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Aktualisierte Ergebnisse der Phase-III-Studie AEGEAN

© Budi / stock.adobe.com (generiert mit KI)

Perioperatives Durvalumab beim resezierbaren NSCLC im Stadium IIA–IIIB [N2]

Aktualisierte Ergebnisse der Phase-III-Studie AEGEAN

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Leitartikel

Datenschutz ist zugleich auch Praxisschutz

Netzwerk-Metaanalyse von 139 Studien

Gonarthrose: Viele Optionen, doch nur wenige funktionieren

Chronisches Kreuzweh

Studie: Rauchen lässt den Rücken schmerzen

Lesetipps
Schwindel kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Mit den richtigen Fragen kommt man aber zur richtigen Diagnose.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

BAM-Kongress 2025

Schwindel in der Hausarztpraxis: Fünf Fragen zur Ursachenfindung

Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung