Änderung am Infektionsschutzgesetz
Tauziehen um geplante bundesweite Corona-Notbremse
Der Bund drängt, einzelne Länder zieren sich: Hinter den Kulissen wird heftig um die geplante Neufassung des Infektionsschutzgesetzes im Kampf gegen die dritte Corona-Welle gerungen. Woran es hakt.
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Der Bund will das Infektionsschutzgesetz rasch nachbessern, um die Voraussetzungen für einheitliche Regeln in Gebieten mit hohen Sieben-Tage-Inzidenzen zu schaffen.
© Hendrik Schmidt/dpa
Berlin. Bundesregierung, Länder und die im Bundestag vertretenen Fraktionen ringen um die geplante Neufassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). „Es gibt noch laufenden Abstimmungsbedarf“, sagte der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Steffen Seibert, am Montagmittag im Haus der Bundespressekonferenz.
Ziel der Neuregelung sei es, „bundeseinheitlich zu regeln, was in Kreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100 stringent und für alle übersichtlich zu geschehen hat“, erläuterte Seibert. Es gebe Handlungsbedarf. Über das Wochenende sei die Zahl der Corona-Neuinfektionen weiter gestiegen – aktuell liege die Sieben-Tage-Inzidenz bundesweit bei rund 136.
Mehr als 300 Land- oder Stadtkreise wiesen eine Inzidenz von über 100 aus. In etwa 50 Kreisen habe sie sogar die 200er-Marke überschritten, so der Regierungssprecher. Es müsse daher gelingen, Deutschland wieder in einen „Bereich von deutlich niedrigeren Inzidenzen“ zu bringen. Dann könnten Lockerungen „auf verantwortungsvolle Weise, gestützt durch das Testen“, vorgenommen werden.
Mit oder ohne den Bundesrat?
Einzelnen Punkten der Beratungen wolle er nicht vorgreifen, betonte Seibert. Das Bundeskabinett wolle am Dienstagvormittag den Gesetzesentwurf beraten und verabschieden.
Ob außer dem Bundestag anschließend der Bundesrat zustimmen muss, ließ Seibert offen. Bundesgesetze seien grundsätzlich Einspruchsgesetze, sie bedürften dann der Zustimmung der Länderkammer. Dabei sei die „konkrete Ausgestaltung des Gesetzes maßgeblich“. Da die Beratungen über die Inhalte des Gesetzes liefen, lasse sich die Frage noch nicht „final“ beantworten.
Der Bund will das IfSG rasch nachbessern, um die Voraussetzungen für einheitliche Regeln in Gebieten mit hohen Sieben-Tage-Inzidenzen zu schaffen. Die bei den Bund-Länder-Beratungen Anfang März vereinbarte sogenannte Corona-Notbremse soll dann ab einem Schwellenwert von 100 in Landkreisen und kreisfreien Städten einschließlich Berlin und Hamburg greifen. Dazu gehören auch strengere Kontaktbeschränkungen und eine nächtliche Ausgangssperre.
Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus appellierte unterdessen an den Bundestag, möglichst schnell über die geplante „Notbremse“ im IfSG zu entscheiden. „Lasst uns das diese Woche abschließen. Wie dann im Einzelnen abgestimmt wird, ob man dafür oder dagegen ist, das ist eine andere Frage, aber bitte keine Verfahrensverzögerung“, sagte Brinkhaus am Montag im „ARD-Morgenmagazin“. Auf die Zustimmung des Bundesrats will Brinkhaus eigenen Angaben zufolge nicht setzen. „Es ist kein Gesetz, so wie wir es vorhaben, wo der Bundesrat auch zustimmen muss“, erklärte der Fraktionsvorsitzende.
„Verfassungsrechtlich fragwürdig“
Die FDP, die in mehreren Ländern mit am Kabinettstisch sitzt, forderte derweil Nachbesserungen am Gesetzentwurf. In der vorliegenden Form wolle man diesem nicht zustimmen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen seien verfassungsrechtlich fragwürdig und teilweise nicht einmal epidemiologisch wirksam, kritisierte FDP-Chef Christian Lindner im Gespräch mit dem „Deutschlandfunk“ am Montag.
Ein Beispiel sei die nächtliche Ausgangssperre. Diese sei bis auf wenige Ausnahmefälle unverhältnismäßig. Die Auswirkungen von Ausgangssperren auf das Infektionsgeschehen sei zu gering. „Es geht in Wahrheit ja aber darum, Ansammlungen von Menschen, Wohnungspartys zu verhindern.“ Um das zu verhindern, gebe es aber mildere Mittel, so Lindner.
Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Ministerpräsident und FDP-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Joachim Stamp. Einem Ehepaar einen abendlichen Spaziergang zu verbieten, aber gleichzeitig Religionsgemeinschaften weiterhin „Zusammenkünfte mit zig Leuten im geschlossenen Raum“ zu erlauben, habe keine Logik, kritisierte Stamp am Montag im Interview mit dem „WDR 2“. (Mit Material von dpa.)