„Vom Nobody zum Corona-Helden“

Teichert will Versorgungs-Dreiklang aus Praxen, Kliniken und ÖGD

Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser würden profitieren, wenn der Öffentliche Gesundheitsdienst auf Augenhöhe in die Versorgung eingebunden wäre, meint die Vorsitzende des Berufsverbandes der Ärzte im ÖGD, Ute Teichert.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Der Öffentliche Gesundheitsdienst sollte im Gesundheitswesen eine stärkere Rolle spielen: BVÖGD-Vorsitzende Dr. Ute Teichert.

Der Öffentliche Gesundheitsdienst sollte im Gesundheitswesen eine stärkere Rolle spielen: BVÖGD-Vorsitzende Dr. Ute Teichert.

© BVÖGD

Düsseldorf. Der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) muss künftig mehr Gewicht bekommen, fordert Dr. Ute Teichert, die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Versorgung durch niedergelassene Ärzte, Kliniken und den ÖGD sollte künftig im Dreiklang gedacht werden, sagte Teichert beim digitalen Medica Econ Forum der Techniker Krankenkasse (TK). „Ich glaube, sowohl der ambulante als auch der stationäre Bereich würden erheblich profitieren, wenn als dritter Spieler der öffentliche Gesundheitsdienst auf Augenhöhe dabei wäre.“

In die Finanzierungsdebatte wolle sich der ÖGD nicht einbringen. „Aber wenn es um Versorgungsqualität und regionale Versorgung geht, sind die Gesundheitsämter die Player vor Ort, die das im Blick haben.“ Der ÖGD sei frei und unabhängig von den einzelnen Versorgungsträgern, betonte die Direktorin der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf.

ÖGD: wichtig, aber vor der Pandemie kaum wahrgenommen

Der Blick der ÖGD-Ärzte ist nicht auf den einzelnen Patienten gerichtet, sondern bevölkerungsmedizinisch. Immer wenn es um die Gesundheit mehrerer Personen geht, ist der öffentliche Gesundheitsdienst in ihren Augen deshalb der richtige Ansprechpartner. „Ich glaube, systematisch gedacht ist das das Pfund, das die Fachärzte für öffentliches Gesundheitswesen einbringen können.“ Der ÖGD sei schon lange ein wichtiger Baustein des Gesundheitswesens, werde aber kaum wahrgenommen, sagte Teichert. Mit der Corona-Pandemie habe sich das geändert: „Vom Nobody zum Corona-Helden.“

Durch die Pandemie rückt der ÖGD nicht nur ins öffentliche Bewusstsein, sondern auch seine Schwächen treten zu Tage. Teichert nannte insbesondere das fehlende Personal und die mangelhafte technische Ausstattung, Stichwort Digitalisierung. Sie hält es für richtig und wichtig, dass die Politik reagiert und Mängel beheben will. Das reiche aber nicht. „Wir brauchen auf allen Ebenen eine Strukturdiskussion“, erläuterte Teichert. Das betreffe nicht nur die Stellung der Gesundheitsämter im Verhältnis zu niedergelassenen Ärzten und Kliniken, sondern auch die Verankerung in den politischen Strukturen in Bund, Land und Gemeinden. So gebe es nur noch wenige Landesgesundheitsämter. „Das Bundesgesundheitsministerium hat keine eigene Abteilung öffentliche Gesundheit.“

Auch Professor Volker Möws, Geschäftsführer Politik und Kommunikation bei der TK, hält weiterführende Maßnahmen zur Stärkung des Sektors für notwendig. „Wir müssen die Attraktivität des ÖGD steigern.“ Helfen könnten eine bessere tarifliche Bezahlung der Ärzte und die Möglichkeit, dass Medizinstudierende einen Teil ihres praktischen Jahres in den Gesundheitsämtern absolvieren können. Das würde auch die Verzahnung der Systeme voranbringen, sagte Möws. „Wir brauchen zukunftsfähige, tragfähige Strukturen.“

Die Stärkung des ÖGD muss seiner Meinung nach schneller erfolgen als zurzeit von der Politik geplant. Möws verwies darauf, dass die ersten Mittel aus den vier Milliarden Euro für den ÖGD erst Mitte nächsten Jahres fließen sollen. „Da sollten wir schneller sein.“ Die Pandemie zeige, wie wichtig der ÖGD ist. Auch bei den Corona-Impfungen sieht er die Gesundheitsämter in einer wichtigen Rolle – nicht zuletzt bei der notwendigen Überzeugungsarbeit, damit sich die Menschen impfen lassen.

„Organisation der Impfungen gehört in die Hand des ÖGD“

Damit lief er bei Ute Teichert offene Türen ein. Die Kommunikation sei eine große Herausforderung, sagte sie. „Die Impfbotschaften müssen klar sein, wir müssen alle Bevölkerungsgruppen erreichen.“ Was unbedingt deutlich werden müsse: „Es wird keinen Impfzwang geben.“

Die Organisation der Corona-Impfungen muss in jedem Fall mit in die Hand des ÖGD, betonte Teichert. Sie kenne Reihenimpfungen in Turnhallen und das Impfen bei Firmen. „Das sind Konzepte, die wir jetzt brauchen.“ Klar sei allerdings, dass der öffentliche Gesundheitsdienst diesen Kraftakt personell nicht allein stemmen kann.

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