Bundesverfassungsgericht

Verfassungsrichter wollen Triage bei COVID-19 eingehend prüfen

Das Bundesverfassungsgericht lehnt eine schnelle Entscheidung zur Triage bei COVID-19 ab. Ein zusätzliches Fachgremium, das über Verteilungskriterien berät, ist für die Richter kein gangbarer Weg.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Das Bundesverfassungsgericht will die Frage der Verteilung von Behandlungsressourcen bei COVID-19 nicht auf die Schnelle entscheiden. Aktuell gebe es dazu auch keine Notwendigkeit.

Das Bundesverfassungsgericht will die Frage der Verteilung von Behandlungsressourcen bei COVID-19 nicht auf die Schnelle entscheiden. Aktuell gebe es dazu auch keine Notwendigkeit.

© Uli Deck / dpa / picture alliance

Karlsruhe. Wer entscheidet im Fall einer COVID-19-Triage? Die einzelnen Ärzte, die Krankenhäuser, medizinische Fachverbände – oder muss der Gesetzgeber ran?

Mit diesen Fragen will sich das Bundesverfassungsgericht eingehend befassen, heißt es in einem am Freitag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. Jedenfalls vorerst muss danach der Gesetzgeber aber keine Vorgaben für eine mögliche COVID-19-Triage machen.

DIVI-Empfehlungen fokussieren sich auf Erfolgsaussichten

Damit wies das Bundesverfassungsgericht einen entsprechenden Eilantrag mehrerer kranker und behinderter Menschen ab. Diese fürchten Nachteile, wenn in den Krankenhäusern die Intensivplätze knapp werden sollten.

Grund sind die bislang als maßgeblich geltenden „Empfehlungen“, die die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in Berlin zusammen mit weiteren Fachverbänden erarbeitet hat. Im Fall einer Triage verweisen diese maßgeblich auf das „Kriterium der klinischen Erfolgsaussichten“.

Bei bestimmten Behinderungen oder Vorerkrankungen seien die Erfolgsaussichten einer intensivmedizinischen Behandlung aber schlechter als im Durchschnitt. Besonders kritisieren die Beschwerdeführer, dass Patienten ein Beatmungsgerät sogar wieder abgenommen werden könne, wenn ein weiterer Patient mit besseren Erfolgsaussichten in die Klinik kommt.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde und einem entsprechenden Eilantrag wenden sie sich gegen die Untätigkeit des Gesetzgebers. Dieser müsse Vorgaben für die Triage machen oder hierfür ein Gremium unter Beteiligung behinderter Menschen einsetzen.

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Wie weit reicht Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers?

Das Bundesverfassungsgericht betonte nun, die Beschwerde sei „nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet“. Sie werfe vielmehr schwierige Fragen zur staatlichen Schutzpflicht auf und ebenso dazu „wie weit der Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei Regelungen medizinischer Priorisierungsentscheidungen reicht“.

Dies bedürfe „einer eingehenden Prüfung“, die im Eilverfahren nicht möglich sei. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei aber schon wegen der bisherigen Situation auch nicht erforderlich. „Das momentan erkennbare Infektionsgeschehen und die intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten lassen es in Deutschland derzeit nicht als wahrscheinlich erscheinen, dass die Situation der Triage eintritt.“

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Das vorgeschlagene Fachgremium helfe den Beschwerdeführern nicht weiter, heißt es in dem Karlsruher Beschluss. „Ein solches Gremium hätte nicht die Kompetenz, verbindliche Regelungen zu verabschieden, auf die es den Beschwerdeführenden gerade ankommt.“

Die Kanzlei „Menschen und Rechte“, die die neun Beschwerdeführer vertritt, bewertete die Entscheidung als grundsätzlich positiv. „Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass es die weitreichende Bedeutung dieser Fragen erkannt hat“, erklärte Rechtsanwalt Oliver Tolmein in Hamburg.

Bundesverfassungsgericht, Az.: 1 BvR 1541/20

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