Umfrage unter 155 Ländern

WHO: COVID-19 hat Versorgung bei anderen Krankheiten beeinträchtigt

Gegen die Coronavirus-Pandemie haben viele Gesundheitssysteme rasch die medizinischen Prioritäten auf SARS-CoV-2 umgelenkt. Mit womöglich negativen Auswirkungen bei anderen Erkrankungen.

Veröffentlicht:

Genf. Die Corona-Pandemie hat die Versorgung von anderweitig Erkrankten weltweit offenbar erheblich beeinträchtigt. Das geht aus einer Umfrage der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Mai in 155 Ländern hervor, deren erste Ergebnisse die WHO am Montag in Genf veröffentlicht hat.

„Länder müssen innovative Lösungen finden, um während des Kampfes gegen COVID-19 die wichtigen Gesundheitsdienste auch bei nicht übertragbaren Krankheiten aufrechtzuerhalten“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Montag.

Nach der Umfrage war in 31 Prozent der befragten Länder die Versorgung bei akuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingeschränkt oder ganz unterbrochen. In 42 Prozent der Länder wurde in den letzten Montagen die Versorgung bei Krebspatienten beschnitten, 49 Prozent bei Diabetes-Patienten und mehr als die Hälfte konnte die Versorgung bei Menschen mit Hypertonie nicht wie sonst aufrechterhalten.

Reha-Programme wurden in 63 Prozent der Länder zurückgefahren. Vorsorgeprogramme, etwa zur Erkennung von Brustkrebs, waren auch betroffen. Besonders stark waren die Einschnitte in Ländern mit niedrigen Einkommen.

Fallzahlrückgänge auch in Deutschland

In den meisten Fällen wurden Termine abgesagt, weil Personal für die Behandlung von COVID-19-Patienten abgezogen wurde, oder weil Menschen wegen der Ausgehbeschränkungen nicht zu Terminen kommen konnten.

Auch in Deutschland wurden elektive Eingriffe verschoben, um Krankenhauskapazitäten freizuhalten. Die Häuser fahren nach und nach wieder den Regelbetrieb hoch. Auch bei niedergelassenen Ärzten wurden Termine abgesagt. Aus Angst vor SARS-CoV-2-Infektionen haben offenbar nicht wenige Menschen Arztbesuche gemieden.

Zahlreiche Kliniken haben von einem spürbaren Fallzahlrückgang etwa von Infarktpatienten berichtet. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Gassen nannte die Entwicklung jüngst im Interview mit der „Ärzte Zeitung“ „Wahnsinn!“. Gassen: „An einem Herzinfarkt oder Schlaganfall sterben Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit, an Corona mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht.“

An nicht-übertragbaren Krankheiten sterben nach Schätzungen der WHO jedes Jahr 41 Millionen Menschen. Das sind 71 Prozent der Todesfälle weltweit. (dpa/nös)

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Kolumne „Hörsaalgeflüster“

Global Model WHO: Junge Stimmen für die globale Gesundheit

Bericht von ECDC und WHO

HIV-Erkrankungen werden in Europa oft erst spät erkannt

Das könnte Sie auch interessieren
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 02.06.202009:53 Uhr

Wenn der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Gassen die Entwicklung jüngst im Interview mit der „Ärzte Zeitung“ „Wahnsinn!“ nennt und sagt: „An einem Herzinfarkt oder Schlaganfall sterben Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit, an Corona mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht“, darf man sicher eine gewisse orthopädische Unbedarftheit zu Grunde legen.

1. kann man übertragbare Krankheiten wie SARS-CoV-2-Infektionen nicht mit nicht-übertragbaren Krankheiten wie Herz- und Hirninfarkt vergleichen oder deren unterschiedliche Mortalitätsraten gegeneinander ausspielen.
2. hat die primäre und sekundäre Krankenhaus-Sterblichkeit für beide nicht-übertragbaren Krankheiten erheblich abgenommen.
3. Die Dunkelziffer überstandener und überlebter Herz- und Hirninfarkte ist sehr hoch, was unschwer an EKGs, MRT- und CT-Bildern bzw. Herzkatheter-Untersuchungen und PCI-Interventionen feststellen kann.
4. Sorgen macht tatsächlich die immer noch sehr hohe Sterblichkeit bei Herzinsuffizienz mit deutlich steigender Inzidenz/Prävalenz.
5. Manchmal ist Weniger tatsächlich Mehr: Es ist nicht zielführend, wenn bereits bestehende Mortalitätsraten verschiedener Erkrankungen durch z u s ä t z l i c h e COVID-19-Erkrankungen mit möglicher Todesfolge erhöht werden.
6. Von daher ist die Aussage: „An einem Herzinfarkt oder Schlaganfall sterben Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit, an Corona mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht“ leichtfertig, irreführend und falsch.

Quellen:
"Herzinfarkt-Sterblichkeit hat sich halbiert - Innerhalb der vergangenen 20 Jahre hat sich die stationäre Herzinfarkt-Sterblichkeit halbiert, bei Frauen fiel die Reduktion noch stärker aus, insbesondere bei Frauen unter 60. Von 1997 bis 2016 ging die Sterblichkeit im Krankenhaus bei Männern mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI) von 9,8 auf 5,5 Prozent zurück, bei Frauen von 18,3 auf 6,9 Prozent.
Beim Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) ging die Sterblichkeit bei Männern von 7,1 auf 2,1 Prozent zurück, bei Frauen von 11,0 auf 3,6 Prozent. Bei Patienten unter 60 Jahren war ein Sterblichkeitsrückgang nur bei Frauen zu beobachten, nicht aber bei Männern." https://www.t-online.de/gesundheit/krankheiten-symptome/id_81983232/massiver-rueckgang-herzinfarkt-sterblichkeit-sinkt-deutlich-.html

Kapitel 2.3.2 Schlaganfall [Gesundheit in Deutschland, 2015]: "Erste Stroke Units in Deutschland wurden 1995 eingerichtet [66]; 2010 gab es bereits 465 solcher Einheiten [62]. Damit korrespondierend ist der Anteil der Schlaganfälle, die in einer Stroke Unit behandelt werden, allein zwischen 2005 und 2010 von 15% auf 52% gestiegen [62]. Gleichzeitig stieg der Anteil der Patientinnen und Patienten mit Hirninfarkt, die mit einer Thrombolyse (medikamentöse Auflösung von Blutgerinnseln) behandelt wurden, von 2,4% auf 8,9%. Im gleichen Zeitraum ist die Krankenhaus-Sterblichkeit von Schlaganfallpatientinnen und -patienten von insgesamt 11,9% auf 9,5% gefallen. Dabei lag 2010 die Sterblichkeit von Patientinnen und Patienten, die in Krankenhäusern mit Stroke Unit behandelt wurden, mit 9,2% signifikant niedriger, als in Krankenhäusern ohne Stroke Unit (10,5%) [67].
Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe leistet mit ihren Aktivitäten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung und Umsetzung innovativer Versorgungskonzepte für das Krankheitsbild Schlaganfall sowie zur Information, Aufklärung und Beratung von Betroffenen und ihren Angehörigen [68]." http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler

Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Finale Analyse der SPOTLIGHT-Studie zum fortgeschrittenen, Claudin-18.2-positiven und HER2-negativen Adenokarzinom des Magens/AEG: Gesamtüberleben (PPS-Population)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Adenokarzinom des Magens/gastroösophagealen Übergangs

Zolbetuximab: Standardtherapie bei CLDN18.2+/HER2− Magenkarzinomen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Astellas Pharma GmbH, München
Erfolge der CML-Therapie mit besserer Verträglichkeit steigern

© Springer Medizin Verlag

Erfolge der CML-Therapie mit besserer Verträglichkeit steigern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Welchen Spielraum es gibt

Patienten rechtssicher ablehnen: So geht’s

Geriatrische Syndrome

COPD bei älteren Patienten – darauf sollten Sie achten

Neue Skills dank Studium

Als Primary Care Managerin hält Desiree Reitmeier jetzt eigene Sprechstunden ab

Lesetipps
Im Krankenhaus wird der Patient unter Aufsicht eines Radiologen einer CT-Untersuchung unterzogen.

© Valerii Apetroaiei / stock.adobe.com

Vereinfachter Diagnose-Algorithmus

Lungenembolie mit weniger Bildgebung sicher ausschließen

Gruppe Senioren sitzt gemeinsam am Kaffeetisch im Aufenthaltsraum im Seniorenheim

© Robert Kneschke/Zoonar/picture alliance

Zwei Phase-III-Studien gescheitert

Semaglutid wirkt nicht gegen Alzheimer