Tarifvertrag
Westerfellhaus mahnt Reform für die Pflege an
Die Coronakrise hat den Reformprozess der Pflegefinanzierung jäh unterbrochen. Daran erinnert der Pflegebevollmächtigte der Regierung. Seine Pläne können teuer werden.
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Mit seinem 5-Punkte-Plan will der Pflegebevollmächtigte Andreas Westerfellhaus den ins Stocken geratenen Reformprozess in der Pflege wieder anstoßen.
© Holger Gross
Berlin. Optimale Arbeitsbedingungen und faire Gehälter fordert der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus für die Beschäftigten der Pflegebranche. Der Aussage, die Pflege sei systemrelevant, müssen endlich auch Taten folgen, sagte Westerfellhaus am Vortag des Internationalen Tags der Pflege. Zur Aufwertung der Pflege fordert er auch die Übertragung heilkundlicher Aufgaben auf Pflegekräfte.
Fünf Punkte für die Pflege
Dafür hat er am Montagvormittag ein Fünf-Punkte-Papier vorgelegt, das an die Ergebnisse der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) von Mitte 2019 anknüpft.
- Tariflohn: Die Sozialpartner sollen sich für die ambulante und stationäre Altenpflege endlich auf „attraktive Löhne und zeitgemäße Arbeitszeitmodelle“ in einem Tarifvertrag einigen, der auf die gesamte Langzeitpflege erstreckt werden kann. Die Refinanzierung von Tariflöhnen „muss Realität werden, wenn nötig per Gesetz“, fordert der Pflegebevollmächtigte.
- Arbeitszeit: In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen brauchen die Mitarbeiter passende Arbeitszeitmodelle. Eine bedarfsgerechte Personalbemessung und –ausstattung seien dafür Voraussetzung.
- Digitalisierung: Die Möglichkeiten der Digitalisierung sollen auch für die Pflege nutzbar werden. Als Beispiel nennt Westerfellhaus die einheitliche elektronische Abrechnung.
- Substitution: Heilkundliche Aufgaben sollen gezielt und dauerhaft auf Pflegefachkräfte übertragen werden, die gleichzeitig von Hilfstätigkeiten entlastet werden sollten.
- Pflegekammern: Flächendeckend sollen Pflegekammern gegründet werden. Die Kammern sollen in allen Selbstverwaltungsgremien sitzen.
Bis zu 5,2 Milliarden Euro mehr
Umsonst sind Westerfellhaus‘ Forderungen nicht zu erfüllen. Ein Gutachten des Berliner IGES-Instituts im Zusammenhang mit der Konzertierten Aktion kommt zum Ergebnis, dass ein flächendeckender bundesweit geltender Mindesttarif je nach gewählter Referenzhöhe bis zu 5,2 Milliarden Euro mehr im Jahr kosten könnte.
Aktuell schlagen Personalkosten in der stationären Pflege direkt auf die von den Heimbewohnern zu leistenden Eigenanteile in der Pflege durch. Im bundesweiten Schnitt erreichen die nicht von der Sozialen Pflegeversicherung abgedeckten Pflegekosten gut 700 Euro im Monat. Spitzenreiter ist Baden-Württemberg mit im Schnitt mehr als 1000 Euro.
Die Vorsitzende der AG Gesundheit der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), hat im Interview mit der „Ärzte Zeitung“ angekündigt, „mit den Ländern in den Clinch gehen zu wollen“. Die sollen sich an den Investitionskosten für die stationäre Pflege beteiligen.
Reformpläne von Spahn stehen noch aus
Der von Westerfellhaus angesprochene geplante Einheitstarifvertrag stößt bei den Arbeitgebern in der Pflege nur begrenzt auf Zustimmung. Tatsächlich verhandelt wird lediglich von der Arbeiterwohlfahrt und vom Arbeitersamariterbund sowie einzelnen Einheiten der Diakonie, die eigens für die Verhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi einen Arbeitgeberverband gegründet haben.
Bis Mitte des Jahres will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Vorschläge für eine Reform der Pflegefinanzierung unterbreiten. Ursprünglich wollte der Minister seine Pläne in mehreren Veranstaltungen in den Ländern zur Diskussion stellen. Das Corona-Virus hat ihm dabei einen Strich durch die Rechnung gemacht.