Abpfiff für Korruption im Gesundheitswesen

Compliance-Systeme sind ein wirksames Mittel gegen Korruption - auch im Gesundheitswesen. Doch wie sehen erfolgreiche Compliance-Systeme aus? Hier können niedergelassene Ärzte und Kliniken vor allem von der Industrie lernen.

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Wie ein Schiedsrichter sorgen Compliance-Systeme dafür, dass Antikorruptionsmaßnahmen in Praxis und Klinik umgesetzt werden.

Wie ein Schiedsrichter sorgen Compliance-Systeme dafür, dass Antikorruptionsmaßnahmen in Praxis und Klinik umgesetzt werden.

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FRANKFURT/MAIN (eb). Compliance ist ein wesentlicher Baustein, damit das Gesundheitswesen funktioniert - ob aus medizinischer oder wirtschaftlicher Perspektive.

So bestimmt die Compliance der Patienten, ob die Behandlung erfolgreich verläuft. Gleiches gilt für den Gesundheitsmarkt: Hier sind Compliance-Systeme ein wirksames Mittel gegen Korruption.

Denn je mehr Ärzte, Kliniken und Unternehmen Gesetze und Richtlinien einhalten, desto weniger wird der Wettbewerb verzerrt.

Ziel eines solchen Systems sei es auch, Strafbarkeitsrisiken für die Beschäftigten auszuschließen, sagte Mechthild Lambers, Leiterin der Stabsstelle Recht am Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) auf der Euroforum-Tagung zu Fehlverhalten im Gesundheitswesen in Frankfurt.

Wie gute Compliance-Systeme funktionieren? Beispiele aus Industrie, Klinik und Medizintechnik zeigen es.

An einer Klinik wie dem UKD könnten über ein Compliance-System etwa die Risiken im Umgang mit Drittmitteln für Forschung und Fortbildung oder mit Einladungen und Reisekosten minimiert werden.

Viele Schritte nötig

Ein solches System an einer öffentlichen Klinik der Maximalversorgung einzuführen, sei aber komplex, sagte Lambers.

Am UKD sei schon vorher Antikorruption "gelebt" worden, etwa durch eine Beschaffungsordnung für den Einkauf und eine Richtlinie für die Kooperation mit privaten Drittmittelgebern.

Compliance-Systeme

Compliance-Systeme sollen sicherstellen, dass Gesetze, Richtlinien und freiwillige Kodizes eingehalten werden. Ziel ist es auch, Strafbarkeitsrisiken für die Beschäftigten zu mindern. Es lassen sich zwei Formen unterscheiden: Sind Compliance-Systeme in der Rechtsabteilung angesiedelt, sind sie mehr darauf ausgerichtet, Leitplanken einzuziehen (compliance by design). Sind sie der Innenrevision zugeordnet, zielen sie mehr auf Kontrolle ab (compliance by detection).

Beides musste in der Antikorruptionsrichtlinie, die gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität entwickelt wurde, angepasst werden.

Das erforderte viele Schritte: Ausarbeitung von Ausführungsbestimmungen, Beteiligung der Personalräte, Anwendungsschulungen für Verwaltungsmitarbeiter und Akzeptanzschulungen vor allem für Ärzte und wissenschaftliches Personal.

Im Branchenvergleich seien Kliniken und Reha-Einrichtungen das Schlusslicht bei der Entwicklung von Compliance-Systemen, sagte der Jurist Professor Henrik Schneider von der Universität Leipzig.

Dafür reagierten öffentliche Krankenhäuser aber konsequenter, wenn Verstöße aufgedeckt würden, weil dann Landesvorschriften mit Handlungszwängen griffen. Am weitesten seien Arzneimittelhersteller, so Schneider. Ein Beispiel: die Firma AstraZeneca.

Seit April 2011 gelte eine neue globale Richtlinie, berichtete Dr. Boris Wilke, Director Compliance bei AstraZeneca. Demnach dürfen keine Werbehilfsmittel an Ärzte verteilt und weder Reise- noch Übernachtungskosten zu Kongressen oder Fortbildungsveranstaltungen gezahlt werden.

Siegel und Schulungen

Jedes Quartal werde per Inventur kontrolliert, dass nicht mehr Arzneimittelmuster abgegeben wurden, als erlaubt. Häufige Audits, auch durch externe Auditoren von Beratungsfirmen, überwachten die Einhaltung der Richtlinie.

Zudem helfen Selbstkontrolle-Einrichtungen der Pharmaindustrie wie der Verein Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen (AKG).

Er verleiht ein Compliance-Siegel, für das ein ausführliches Audit zu absolvieren ist, hält Basis- und Intensivschulungen ab und organisiert fachbezogene Workshops sowie Compliance-Officer-Meetings.

Je mehr Unternehmen sich zu Antikorruptionsmaßnahmen verpflichteten, desto weniger werde der Wettbewerb zwischen den korrekt und den weniger korrekt agierenden Arzneiherstellern verzerrt, meinten Tagungs-Teilnehmer.

Große Unternehmen, die an der New Yorker Börse gelistet sind, sind ohnehin den strengen US-Verhaltensregularien unterworfen.

Ein anderes Beispiel für erfolgreiche Compliance-Systeme ist die Medizintechnik. "Jegliche Antikorruptionsmaßnahmen sind erfolgreich", sagte Jakob Stephan Baschab, Hauptgeschäftsführer der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker.

Mit dem Tabu brechen

Seit 2009 sei die Abgabe von Hörgeräten in Arztpraxen stark zurückgegangen. Damals wurde der Paragraf 128 Sozialgesetzbuch V geschaffen. Er sanktioniert die unzulässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten.

Bis dahin hätten manche HNO-Ärzte durch Kickbacks von Hörgeräteakustikern ein Zusatzeinkommen von über 20.000 Euro im Jahr erzielt, so Baschab.

Nach der Änderung hätten HNO-Ärzte Patienten zu Selbstzahlerleistungen oder Akustiker zum Geschäftsverkauf gedrängt.

Daraufhin wurde der Paragraf 128 Anfang 2012 erneut verschärft: Vertragsärzte dürfen sich nicht mehr an Gesellschaften von Gesundheitshandwerkern beteiligen, wenn sie ihre Einkünfte aus der Beteiligung durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten maßgeblich beeinflussen können.

In der Praxis gebe es jedoch Wissensdefizite, etwa den Paragrafen 31 der Musterberufsordnung betreffend, sagte Rechtssoziologe Professor Kai Bussmann von der Universität Halle. Dieser verbiete Ärzten die Zuweisung gegen Entgelt.

In einer Befragung für den GKV-Spitzenverband hatte er festgestellt, dass statt medizinischer Argumente oft Prämiengeld oder Sachleistungen entschieden, zu welchem Arzt, zu welcher Klinik oder zu welchem nichtärztlichen Leistungserbringer die Patienten gelenkt würden.

Enttabuisierung, so Bussmann, sei der erste Schritt zur Prävention eines Problems.

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