Landgericht Hamburg

Ärztin Hänel bekommt gegen Abtreibungsgegner wohl Recht

Der Vergleich eines Schwangerschaftsabbruchs mit dem Holocaust verbietet sich eigentlich von selbst. Das sieht auch ein Hamburger Gericht so.

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Kristina Hänel, Gießener Ärztin und Klägerin im Prozess zur Unterlassungsklage gegen den Betreiber der Internetseite «Babykaust», spricht vor der Verhandlung mit ihrem Anwalt Alexander Hoffmann.

Kristina Hänel, Gießener Ärztin und Klägerin im Prozess zur Unterlassungsklage gegen den Betreiber der Internetseite „Babykaust“, spricht vor der Verhandlung mit ihrem Anwalt Alexander Hoffmann.

© Axel Heimken/dpa

Hamburg. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel wird mit ihrer Unterlassungsklage gegen den Betreiber der Internetseite „Babykaust.de“ wohl in weiten Teilen Recht bekommen. Das erklärte die Zivil-Kammer am Landgericht Hamburg am Freitag. Ein Urteil soll voraussichtlich am Montag verkündet werden.

Hänel wirft dem Mann vor, Schwangerschaftsabbrüche mit den Verbrechen des Holocausts zu vergleichen und sie dabei auch persönlich anzugreifen. Die Hamburger Kammer kündigte an, der Klage gegen den Abtreibungsgegner in denjenigen Punkten stattzugeben, in denen es im Wesentlichen um die Gleichsetzung eines Schwangerschaftsabbruchs mit dem Holocaust ging und dabei auch Hänel angegriffen wurde. Nur eine in der Klage genannte Passage, die die Ärztin als Schmähkritik ansah, bewertete das Gericht eher als zulässige Meinungsäußerung.

Strittige Passagen schon gelöscht

Dabei ging es um Aussagen des Betreibers, an den Händen der Ärztin klebe Blut, weil sie wehrlose Kinder töte. Mit solchen Äußerungen müsse man in einer pluralistischen Gesellschaft leben, betonte die Vorsitzende Richterin Simone Käfer. Schließlich nahm Hänel ihre Klage in diesem einen Punkt zurück.

Die speziellen Textpassagen und Bilder, um die vor Gericht gestritten wird, sind nach Auskunft eines Gerichtssprechers inzwischen nicht mehr auf der „Babykaust“-Seite zu finden. Hänel wird voraussichtlich eine Geldentschädigung – wie von ihr gefordert – in Höhe von 5000 Euro zugesprochen.

„So ein Prozess ist normalerweise nicht meine Art, es ist eigentlich die Art der Abtreibungsgegner mit Anzeigen zu arbeiten“, sagte Hänel kurz vor Beginn des Verfahrens. „Aber in diesem Fall musste ich einfach eine Grenze ziehen.“ Im Gerichtssaal berichtete die 64-Jährige, dass der Betreiber der Internetseite sie seit langem verfolge. Es sei für sie schrecklich, wenn ihr Enkel lesen müsse, dass sie eine „Kindstöterin“ sein solle.

Drohungen an der Tagesordnung

Sie bekomme viele Hassbotschaften und habe Angst um ihr Leben – gerade seit dem gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. „Ich will einfach nur in Ruhe arbeiten und ich will nicht ermordet werden“, sagte sie den Tränen nah. In dem Prozess, in dem die Ärztin nun gegen den Betreiber der Internetseite „Babykaust“ klagt, konnte dessen Anwalt nicht gehört werden, weil er sich nicht wie abgesprochen per Video zuschaltete.

Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, teilte mit, er sei Hänel sehr dankbar, dass sie die Klage gegen den Betreiber von „Babykaust“ angestrengt habe. Die Art und Weise wie der Abtreibungsgegner seine Überzeugungen auf der Internetseite verkünde, sei nicht nur für Überlebende des Holocaust unerträglich, erklärte er.

Bundesweit bekannt

Die Gießener Allgemeinärztin Hänel war bundesweit bekannt geworden, nachdem sie wiederholt wegen Verstoßes gegen den Strafrechtsparagrafen 219a („Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“) zu Geldstrafen verurteilt worden war. Ihr Hinweis auf der Praxiswebsite, Abtreibungen vorzunehmen, geht laut Gießener Landgericht auch über die zwischenzeitlich geänderten Version des Paragrafen noch in unzulässiger Weise hinaus. (dpa/eb)
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