TV-Kritik

Alles Betrug? - ZDF-Fahnder mit starrem Feindbild

In der Sendung "Weiße Kittel, schwarze Kassen" am Mittwochabend wollte das ZDF zeigen, dass Betrügereien im Gesundheitswesen System haben. Ein Reporter zog investigativ los. Was aber herauskam, war dürftig: Ein Film voller steiler Thesen und mit wenig Substanz.

Von Anja Krüger Veröffentlicht:
Autor Stefan Hanf im Schnittraum mit Carola R. Controllerin vom Bezirksamt Berlin-Neuköln.

Autor Stefan Hanf im Schnittraum mit Carola R. Controllerin vom Bezirksamt Berlin-Neuköln.

© Jens Staeder / ZDF

Mittwochabend, 22.45, ZDF. Bei der Konkurrenz auf RTL haben vor einer halben Stunde "Die Versicherungsdetektive" ihre Jagd auf Versicherungsbetrüger beendet, jetzt beginnt im Zweiten Fahnder Stefan Hanf.

Der Reporter macht sich in "Weiße Kittel, schwarze Kassen" (ZDFzoom) auf die Suche nach Betrügern im deutschen Gesundheitswesen.

Um Ärzte geht es trotz des Titels nur am Rande. "Alle Betrügereien gehen letzten Endes zu Lasten der Versicherten", sagt Anke Martiny von Transparency International gleich zu Beginn.

Ganz so einfach ist es nicht. Im reglementierten und budgetierten deutschen Gesundheitswesen schädigen nicht selten Abzocker gerade ihre Kollegen. Doch um Feinheiten geht es in der Reportage nicht.

Bis zu 13 Milliarden Euro sollen Jahr für Jahr falsch abgerechnet werden. "Ist das deutsche Gesundheitssystem zum Selbstbedienungsladen verkommen?", fragt Reporter Hanf suggestiv.

Der Anspruch des Filmemachers ist hoch: Er will zeigen, dass Betrügereien keine Einzelfälle sind, sondern System haben.

Eine Anklage ist noch kein Urteil

Der Film beginnt mit einem kräftigen Aufschlag - und plätschert dann dahin. Wenig überzeugend ist der Versuch, mit Hilfe des Lockvogels Gustav G. nachzuweisen, wie leicht die Pflegekassen zu betrügen sind, wenn Klient und Anbieter sich einig sind.

Und ob die Ermittlungen gegen die DRK-Kliniken Berlin wirklich dazu taugen, systematischen Abrechnungsbetrug von Krankenhäusern zu belegen, ist fraglich. Eine Anklage ist noch kein Urteil.

Der Versuch, einen niedergelassenen Arzt zur verbotenen Rezeptweiterreichung an ein Sanitätshaus zu bringen, scheitert, ein anderer glückt.

Wenn das alles ist, was man als investigativer ZDF-Reporter findet, dann kann man verstehen, dass Gesundheitsminister Daniel Bahr sich keine Zeit für ihn nimmt - und sein Ministerium dem Fernsehmann mitteilt, dass es die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten für ausreichend hält.

Keine Frage - Betrug im Gesundheitswesen ist ein Problem. Allerdings nicht nur für Versicherte, sondern auch für Ärzte und andere Akteure.

Wer wie in diesem knapp halbstündigen Film mit Karacho dem Publikum steile Thesen vom Selbstbedienungsladen vor die Füße wirft und dann mit solchen Geschichtchen kommt, der nimmt seine eigene Behauptung nicht ernst.

Zum Beitrag "Weiße Kittel, schwarze Kassen" in der ZDF-Mediathek.

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Kommentare
Egon Manhold 12.07.201217:45 Uhr

Die Anerkennung einer Pflegestufe

hängt ja wohl in erster Linie vom Eindruck des Prüfers ab.
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen versuchen nach meiner Erfahrung häufig, sich weniger eingeschränkt zu zeigen, als sie wirklich sind. Deshalb finde ich Hinweise eines Pflegedienstes zum "richtigen" Verhalten schon sehr sinnvoll und kann das nicht als Betrug werten.
Es kommt auch vor, dass die Prüfer die tatsächlichen Auswirkungen bestimmter Krankheitsbilder fachlich gar nicht korrekt beurteilen können, weil ihnen die entsprechende Erfahrung fehlt.
Durch solche Falschbewertungen kommt es m.E. eher zu einer zu ungünstigen Bewertung für den Betroffenen, als dass er in eine zu hohe Pflegekategorie eingestuft wird.

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