Einst Steuerfachangestellter, jetzt Kinderarzt

Arzt ohne Abitur

Stefan Schult arbeitete acht Jahre als Steuerfachangestellter, heute ist er Kinderarzt am Klinikum in Hanau. Sein Beispiel zeigt: Arzt ohne Abitur, das geht.

Margarethe UrbanekVon Margarethe Urbanek Veröffentlicht:
Stefan Schult hat kein Abitur. Dennoch arbeitet er heute als Kinderarzt im Klinikum Hanau.

Stefan Schult hat kein Abitur. Dennoch arbeitet er heute als Kinderarzt im Klinikum Hanau.

© Klinikum Hanau

HANAU. Seine Botschaft ist klar: Mit Ambition und Leidenschaft lassen sich auch vermeintlich holprige Wege gehen – wenn man sein Potenzial kennt und richtig einschätzen kann.

Natürlich sei nicht jeder Mensch für ein Medizinstudium gemacht, könne mit Patienten und Notfallsituationen umgehen. „Das aber ist keine Frage des Schulabschlusses, sondern der Persönlichkeit“, gibt Stefan Schult zu bedenken.

Authentischer könnte diese Aussage kaum getroffen werden als von eben jenem Stefan Schult, der, einst zum Steuerfachangestellten ausgebildet, heute als Kinderarzt im Klinikum Hanau arbeitet.

Der 38-Jährige weiß, wovon er spricht. Mit 16 Jahren entscheidet er sich gegen das Abitur und schließt die Schule mit der Mittleren Reife ab.

Ausbildung zum Steuerfachangestellten

Eine Entscheidung, getroffen nicht im pubertären Leichtsinn, sondern aus familiären Gründen: „Mein Bruder war damals schwer krank und für mich war klar, dass ich unsere Eltern unterstützen werde, indem ich eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten beginne“, erinnert sich Schult.

Acht Jahre arbeitete er schließlich in einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Frankfurt.

Doch den Wunsch, eines Tages als Arzt arbeiten und Menschen helfen zu können, hatte er immer. Noch während der Ausbildung zum Steuerfachangestellten entschied er sich, seinen Zivildienst beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) für den Katastrophenschutz abzuleisten.

Beim DRK absolvierte er zunächst die Ausbildung zum Rettungssanitäter, später dann zum Rettungsassistenten. Über mehrere Jahre belegte er hierfür neben seinem Vollzeitjob verschiedene Ausbildungsblöcke, investierte alleine dafür über 2800 Stunden.

Während seiner Arbeit im Rettungsdienst wurde sein Kindheitstraum, als Mediziner zu arbeiten, mit praktischen Erfahrungen angereichert – und verstärkt.

Zweiter Bildungsweg beliebt

Arzt wurde Schult dann über den zweiten Bildungsweg. Vor zehn Jahren wurde das deutsche Hochschulsystem auch für Menschen ohne Abitur geöffnet. In allen Bundesländern gibt es seither die Möglichkeit, auch ohne Abitur zum Studium zugelassen zu werden.

Und das Studium über den zweiten Bildungsweg wird immer beliebter: Mit rund 60000 Menschen waren 2017 so viele Studierende wie noch nie ohne Allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife an einer deutschen Hochschule eingeschrieben. Unter ihnen 825 Studierende der Human- und Zahnmedizin. Das zeigt eine Erhebung des Centrums für Hochschulentwicklung.

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Welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um auch ohne Abitur studieren zu dürfen, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Stefan Schult brauchte eine staatlich anerkannte Berufsausbildung, eine einschlägige Weiterbildung, in seinem Fall den Rettungsassistenten, und zwei Zeugnisse, die ihn als „besonders befähigt“ bewerten.

„Damit konnte ich an einer Prüfung an der Universität Frankfurt teilnehmen, um ein Abitursäquivalent zu erhalten“, berichtet Schult von dem Prozess zur Studienzulassung. Hinter ihm lag zu diesem Zeitpunkt ein Jahr der theoretischen Vorbereitung.

Als einer der Besten bestand er die sogenannte „Hochschulzugangsprüfung für besonders befähigte Berufstätige.“

Fünf Jahre wartete er dann auf seinen Studienplatz. In Regelstudienzeit schloss er 2016 schließlich sein Medizinstudium ab. „Wenn man schon Berufserfahrung hat und weiß, was man will, dann verfolgt man sein Ziel vielleicht etwas zielstrebiger, als als junger Mensch“, beschreibt Schult seinen Ehrgeiz während des Studiums.

Praxiserfahrung bringt Vorteile

Heute arbeitet der Mediziner im Klinikum Hanau und profitiert nach eigenen Angaben von seinem beruflichen Werdegang. Als Steuerfachangestellter habe er Erfahrung mit strukturiertem und organisiertem Arbeiten, als ausgebildeter Rettungsassistent wisse er in Notfallsituationen gelassen zu reagieren und Ruhe zu bewahren.

Seinen oft jüngeren Kommilitonen hatte er in der Praxis damit einiges voraus: „Ich denke, mir fiel es im Praktischen Jahr in kritischen Situationen leichter zu entscheiden“, blickt er zurück. Eine Rolle gespielt habe sein Bildungsweg nie.

Nicht an der Universität, wo Professoren davon nichts und Kommilitonen höchstens nach seinen Erzählungen Bescheid wussten. Auch nicht im Berufsleben, wo weder Kollegen noch Patienten Wert auf Spitzenabitur legen.

Im Berufsalltag sei es vor allem wichtig, mit Patienten umgehen zu können. Und fachlich stehe er seinen Kollegen ohnehin in nichts nach, schließlich habe er sein Studium unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen, wie seine Kommilitonen, auch wenn er, anders als die meisten, kein Abitur habe.

„Nicht ein gutes Abitur macht einen guten Arzt aus, sondern seine Überzeugung und seine Ambitionen“, betont Schult und erklärt abschließend: „Wer sein Ziel kennt und den Weg dorthin verfolgt, der kann vieles erreichen.“ Stefan Schult ist dafür ein gutes Beispiel: In seinem Beruf ist er nach eigenen Angaben sehr glücklich.

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