Publikationsverbot & Co

Atemwegsgesellschaften proben den Aufstand

Vereint gegen den Feind: Mehrere Atemwegsgesellschaften verhängen Sanktionen gegen Mitarbeiter von Tabakkonzernen – als Protest darauf, dass Philip Morris den Inhalationsspezialisten Vectura gekauft hat. Sie sehen die Rauchentwöhnung gefährdet.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Schwerer Rauchausstieg: Geht es nach mehreren Atemwegsgesellschaften, kommen dafür auf gar keinen Fall Rauchalternativen in Frage, die von Tabakkonzernen auf den Markt geworfen werden.

Schwerer Rauchausstieg: Geht es nach mehreren Atemwegsgesellschaften, kommen dafür auf gar keinen Fall Rauchalternativen in Frage, die von Tabakkonzernen auf den Markt geworfen werden.

© Turgay Koca/Shotshop/picture alliance

Neuchâtel/Lausanne. Mitarbeiter von Tabakkonzernen dürfen nicht mehr in Journals der European Respiratory Society, der American Thoracic Society, der International Union Against Tuberculosis and Lung Diseases, der Asian Pacific Society of Respirology, der Asociación Latino Americana De Tórax sowie der Global Initiative for Asthma publizieren.

In einer gemeinsamen Erklärung – quasi eine Protestnote – drücken die sechs Gesundheitsorganisationen unter dem Dach des Forum of International Respiratory Societies ihr Unverständnis für die Übernahme des britischen Inhalationsspezialisten Vectura durch Philip Morris International (PMI) aus. Unter anderem die britische Regierung wird für die Genehmigung des Milliarden-Deals angegriffen.

„Wir haben gemeinsam gegen die höchst unethische und unangemessene Übernahme eines Unternehmens für Inhalationsmedikamente durch ein Tabakunternehmen protestiert. Trotz aller Bemühungen sind wir zutiefst enttäuscht, dass Aktionäre, Aufsichtsbehörden und die britische Regierung die Genehmigung dieser Übernahme zugelassen haben.

Dies ist nur das jüngste Beispiel für die Diversifizierung von Tabakunternehmen im Gesundheitswesen, und wir sind sehr besorgt über die Auswirkungen auf Patienten, Wissenschaftler und Ärzte“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme.

„Dunkle Episode für die Lungengesundheit“

Die Gesellschaften seien besonders beunruhigt darüber, dass die Technologie, die derzeit zur Verabreichung von Medikamenten zur Behandlung von Atemwegserkrankungen verwendet würden, nun offensichtlich dafür eingesetzt werden sollten, „die schädlichen und süchtig machenden Produkte der Tabakunternehmen, die solche Krankheiten verursachen, effizienter zu verabreichen.

Diese Übernahme ist eine dunkle Episode für die Lungengesundheit und die Gesundheit im Allgemeinen und sollte sich in Zukunft nicht wiederholen.“ Denn Tabakprodukte seien weltweit nach wie vor die Hauptursache für vermeidbare Todesfälle und Krankheiten.

PMI hingegen will den Vectura-Deal als ideale Ergänzung verstanden wissen, um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen, ab 2025 jährlich mehr als eine Milliarde Euro Umsatz mit innovativen Tabakalternativen zu generieren, um so den Rauchausstieg für immer mehr Konsumenten konventioneller Verbrennungszigaretten zu ermöglichen.

Bis Ende 2020 hat PMI nach eigenen Angaben weltweit etwa 18 Millionen Nutzer seines Tabakerhitzungssystems zu verzeichnen – 70 Prozent davon seien komplett auf die Rauchalternative umgestiegen.

Atemwegsgesellschaften wollen nicht aufgeben

Aus Sicht der Atemwegsgesellschaften stellt sich die Situation freilich anders dar: „Die Gewinne, Praktiken und die Macht der Tabakindustrie bleiben die größten Hindernisse für Veränderungen. Früheres wissenschaftliches Fehlverhalten der Industrie hat berechtigtes Misstrauen bei Atemwegsforschern und Klinikern gesät.

Als Gemeinschaft geeint werden sich unsere Organisationen auch künftig entschieden gegen zukünftige Übernahmen von Unternehmen des Gesundheitswesens durch die Tabakindustrie stellen“, ist in der Stellungnahme zu lesen.

Nun tun die Gesellschaften offiziell kund, dass ihre Organisationen und Mitglieder keine neuen Interaktionen und Verbindungen mit Unternehmen dulden könnten, die sich vollständig im Besitz eines Tabakunternehmens befänden.

Flankiert wird dies durch einen umfassenden, sanktionierenden Maßnahmenkatalog. Darin wird unter anderem klargestellt, dass Beschäftigte von Tabakkonzernen keine Erlaubnis bekämen, in Journals der Gesellschaften zu publizieren oder bei Meetings Präsentationen abzuhalten.

Bei Gesellschaftstagungen dürften keine Produkte beworben werden von Unternehmen, die zu Tabakkonzernen gehören. Auch sei den Gesellschaften keinerlei Knüpfen von Partnerschaften mit oder der Bezug finanzieller Zuwendungen von diesen erlaubt.

Rolle der behandelnden Ärzte betont

Zum Schluss betonen die Gesellschaften noch die Autonomie der Ärzte im Umgang mit rauchstoppwilligen Patienten. Die Mediziner müssten im besten Patienteninteresse agieren – inklusive der Rezeptierung der effektivsten Medikation.

Auch raten die Gesellschaften unverblümt zum Herstellerboykott als ultima ratio: „Wir empfehlen, dass medizinisches Fachpersonal und Patienten keine Produkte verwenden, die von Unternehmen der Tabakindustrie neu entwickelt wurden, sofern dies angemessen und sicher ist.“

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