Auch Ärzte können rechnen

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

Es ist ein harter Kampf, den der Marburger Bund gerade ausficht. Der Streik soll Lohnerhöhungen und vor allem eine anständige Bezahlung von Nachtdiensten für die Ärzte an kommunalen Kliniken bringen. Niedergelassene Ärzte, die ja selbst einmal die Knochenmühle Klinik mitgemacht haben, werden die Forderungen mit Sympathie begleiten.

Der Marburger Bund begründet seine Forderungen auch damit, dass eine attraktive Entlohnung ein Mittel gegen Ärztemangel sein könnte. Wenn die Klinikärzte damit Erfolg haben, sollte allerdings klar sein, dass das auch Folgen für den direkt konkurrierenden ambulanten Sektor hat.

Als rational handelnde Teilnehmer am Wirtschaftsleben werden sich Ärzte nur dann niederlassen, wenn sie die Hoffnung haben, dass sich diese Entscheidung für sie auszahlt, sei es in Form von höherer Lebensqualität oder von finanziellen Vorteilen.

Einen finanziellen Vorteil wird es aber nur dann geben, wenn der Gewinn hoch genug ist. Dieser bemisst sich in erster Linie nach der Verzinsung des eingesetzten Kapitals und natürlich nach einer Entlohnung der ärztlichen Tätigkeit.

Die Einkommensmöglichkeiten für Ärzte außerhalb der Patientenversorgung oder auch im Krankenhaus schlagen vor einer Entscheidung zur Niederlassung also direkt zu Buche. Je mehr ein Oberarzt in der Klinik verdienen kann, desto höher muss der erwartete Gewinn einer Praxis sein. Wer wissen will, wie rentabel Arztpraxen arbeiten, kommt nicht umhin, dieses kalkulatorische Arztgehalt mit in die Rechnung einzubeziehen. Doch in den Statistiken zu den Erträgen von Arztpraxen fallen diese sogenannten Opportunitätskosten meist unter den Tisch.

Bei der Kalkulation des Punktwertes von 5,11 Cent ist ein kalkulatorisches Arztgehalt von 105 000 Euro eingeflossen. Der aktuelle Punktwert liegt weit darunter. Junge Klinikärzte, die rechnen können, wissen das - und richten ihre Entscheidungen danach aus.

Wenn jetzt die Gesundheitspolitiker der Union die moralische Keule schwingen und eine Nullrunde für Vertragsärzte fordern, ist das politisch verständlich. Aber den Akteuren sollte bewusst sein: Ein Rezept gegen drohenden Ärztemangel ist das nicht.

Hauke Gerlof ist stellvertretender Chefredakteur der "Ärzte Zeitung" und Leiter des Ressorts Praxis & Wirtschaft. Schreiben Sie dem Autor eine E-Mail

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