Recht

Auch Op mit erschlichener Spender-Leber verdient Honorar

Im Gefolge des Göttinger Transplantationsskandal ist jetzt in 2. Instanz eine Kasse gescheitert, die Behandlungskosten wegen unrechtmäßiger Zuteilung eines Spender-Organs rückforderte

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Der Honoraranspruch einer Klinik in Sachen Organtransplantation richtet sic h nach dem medizinischen Erfordernis – nicht danach, ob der Empfänger seinen Platz auf der Warteliste zu recht oder unrecht eingenommen hat.

Der Honoraranspruch einer Klinik in Sachen Organtransplantation richtet sic h nach dem medizinischen Erfordernis – nicht danach, ob der Empfänger seinen Platz auf der Warteliste zu recht oder unrecht eingenommen hat.

© Jan-Peter Kasper / dpa

Göttingen/Celle. Die Göttinger Universitätsmedizin (UMG) muss die Vergütungen, die sie für zwei Lebertransplantationen des früheren Leiters ihrer Transplantationschirurgie erhalten hat, nicht an die gesetzliche Kasse der betreffenden Patienten zurückzahlen. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) jetzt entschieden.

Die Kaufmännische Krankenkasse Hannover (KKH) hatte nach Bekanntwerden des Transplantationsskandals rund 157.000 Euro zurückgefordert, weil die medizinischen Leistungen rechtswidrig erbracht worden seien. Der behandelnde UMG-Arzt habe durch die Übermittlung falscher Daten an die Vergabestelle für Organtransplantationen (Eurotransplant) dafür gesorgt, dass die beiden Patienten auf der Warteliste für ein Spenderorgan vorgerückt seien.

Op waren erforderlich

Das LSG verwies hingegen darauf, dass die Transplantationen medizinisch dennoch notwendig gewesen und fachgerecht ausgeführt worden seien. Deshalb bestehe kein Anspruch auf eine Rückzahlung.

Der Chirurg war von 2008 bis 2011 am Göttinger Uni-Klinikum tätig. Im Juli 2011 gab es einen anonymen Hinweis, dass es bei Lebertransplantationen Regelverstöße gegeben habe. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass UMG-Mitarbeiter gegenüber Eurotransplant falsche Angaben zu Dialyse-Behandlungen ihrer Patienten gemacht hatten, um ihnen schneller zu einem Spenderorgan zu verhelfen.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Chefarzt damals unter anderem wegen versuchten Totschlags in elf Fällen angeklagt. Er habe billigend in Kauf genommen, dass andere Patienten auf der Warteliste nach hinten rutschten und sterben könnten. Der Prozess endete im Mai 2015 mit einem Freispruch. Der Chirurg habe zwar gegen die Richtlinien zur Transplantationsmedizin verstoßen. Dieses Verhalten sei verwerflich, aber nicht strafbar gewesen. Der BGH bestätigte später dieses Urteil.

1. Instanz gab der KKH noch Recht

Zwei dieser bevorzugten Patienten waren bei der KKH versichert. Die Uniklinik hatte der KKH für die stationären Aufenthalte der beiden Patienten rund 110.000 Euro und 50.000 Euro berechnet. Die KKH hatte diese Forderungen zunächst vollständig beglichen. Nachdem sie von der Wartelisten-Manipulation erfahren hatte, forderte sie Rückerstattung und reichte im Dezember 2019 Klage beim Sozialgericht Hildesheim ein – zunächst mit Erfolg.

Die erste Instanz hielt die Forderung für gerechtfertigt, weil die Behandlung unter Verstoß gegen das Transplantationsgesetz erfolgt sei und der Meldeverstoß die Behandlung überhaupt erst ermöglicht habe. Die UMG legte daraufhin Berufung beim Landessozialgericht ein. Und dieses beurteilte den Fall ganz anders.

Moral falsch, Rechnung richtig

Die Richter verwiesen darauf, dass sich die Falschangaben gegenüber Eurotransplant lediglich auf das Ausmaß der Dringlichkeit bezogen hätten, jedoch nicht auf das Erfordernis einer Transplantation als solcher. Wären ausreichend viele Lebern vorhanden gewesen, so dass keine Auswahl hätte erfolgen müssen, hätte am Vergütungsanspruch der Beklagten keinerlei Zweifel bestanden.

Nach Ansicht des Gerichts mögen die Falschangaben damit „moralisch falsch“ sein, den Vergütungsanspruch berührten sie aber nicht. Es sei nicht Aufgabe der Kassen, die Falschmeldung durch die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gewissermaßen zu „ahnden“ und damit einem Gerechtigkeitsempfingen Genüge zu tun. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die KKH kann die Entscheidung noch beim Bundessozialgericht anfechten.

Landessozialgericht Niedersachsen–Bremen, Az.: L 16/4 KR 506/19

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Eine Sanduhr, durch die Geldstücke fall

© fotomek / stock.adobe.com

Tag der Privatmedizin 2024

Outsourcing: Mehr Zeit für Patienten!

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Buch mit sieben Siegeln oder edles Werk? KI-Idee einer in Leder eingebundenen neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

© KI-generiert mit ChatGPT 4o

Exklusiv Entwurf unter der Lupe

Das brächte Ihnen die neue GOÄ

Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Tab. 1: Empfohlene Anfangsdosierungen von Ruxolitinib bei akuter und chronischer GvHD in Abhängigkeit vom Alter

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [5, 6]

Graft-versus-Host-Erkrankung

JAK1/2-Hemmung jetzt für Kinder unter zwölf Jahren und in neuer Darreichungsform möglich

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Blutzuckervariabilität

Wie die Time Below Range das Diabetes-Management verbessert

Let‘s talk about...

Tabuthema Sex: Wie spricht man es in der Sprechstunde an?

Lesetipps
Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung

Schwindel kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Mit den richtigen Fragen kommt man aber zur richtigen Diagnose.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

BAM-Kongress 2025

Schwindel in der Hausarztpraxis: Fünf Fragen zur Ursachenfindung

Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt