Urteil
Tödlicher Corona-Ausbruch im Heim: Geldstrafe wegen Impfpass-Fälschung
Eine frühere Pflegeheim-Mitarbeiterin ist nicht für den Tod einer Seniorin verantwortlich. Das hat das Landgericht Hildesheim auf Grundlage wissenschaftlicher Gutachten entschieden.
Veröffentlicht:Hildesheim. Nach einem Corona-Ausbruch mit drei Toten in einem Hildesheimer Pflegeheim ist eine frühere Mitarbeiterin lediglich wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt worden.
Die 46-Jährige hatte ihrem Arbeitgeber einen gefälschten Impfpass vorgelegt. Strafmildernd wertete das Landgericht Hildesheim am Mittwoch unter anderem, dass die Frau sich selbst wegen des Impfpasses bei der Polizei angezeigt hatte.
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft ihr zudem fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung zur Last gelegt, was die Frau stets abstritt. In Bezug auf diese Vorwürfe wurde das Verfahren eingestellt, nachdem Gutachter vorgetragen hatten, dass die 46-Jährige nicht zweifelsfrei als Auslöserin der Infektionskette bestimmt werden könne.
Fünf Beschäftigte und elf Bewohner hatten sich mit Corona infiziert
Die Frau hatte Ende November 2021 drei Tage lang weiter als Alltagsbegleiterin in dem Heim gearbeitet, während ihr Sohn Corona hatte und sie unbemerkt selbst auch infiziert war. Als ungeimpfte Kontaktperson hätte sie sich nach den damaligen Regeln eigentlich in Quarantäne begeben müssen. Verteidigung und Staatsanwaltschaft verzichteten auf Rechtsmittel - damit ist das Urteil rechtskräftig.
In dem Pflegeheim hatten sich Ende 2021 insgesamt fünf Beschäftigte und elf Bewohner mit Corona infiziert. Drei 80, 85 und 93 Jahre alte Frauen starben, bei der 80-Jährigen war laut rechtsmedizinischer Untersuchung Corona die Todesursache. Bei den anderen beiden waren andere Ursachen nicht auszuschließen.
Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt - auch weil bisher nach Corona-Ausbrüchen in Pflegeheimen strafrechtliche Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung zumeist eingestellt worden waren.
Angeklagte sei keine Corona-Leugnerin
Am ersten Prozesstag hatte die Angeklagte durch ihren Rechtsanwalt erklären lassen, dass sie keine Corona-Leugnerin sei und sich inzwischen habe impfen lassen. Den gefälschten Impfpass habe sie im September 2021 auf Druck ihres oft gewalttätigen Lebensgefährten ausgefüllt.
Die Fälschung wurde zunächst von der Heimleitung aufgedeckt. Diese war misstrauisch geworden, weil der angeblich ebenfalls doppelt geimpfte Partner der Mitarbeiterin schwer an Covid-19 erkrankte und ins Krankenhaus kam. Er starb infolge der Infektion.
Der Alltagsbegleiterin wurde fristlos gekündigt, nachdem sie die Täuschung zugegeben hatte. Wie ihr Verteidiger am ersten Prozesstag sagte, ist sie immer noch arbeitslos und psychisch belastet.
Infektionskette sei nicht eindeutig zu beweisen
Als Gutachter sagten ein Professor für Mikrobiologie der Universität Düsseldorf und ein Laborleiter vom niedersächsischen Landesgesundheitsamt aus. Sie hatten auffällige Übereinstimmungen zwischen den PCR-Proben der verstorbenen Bewohnerinnen und des verstorbenen Lebensgefährten der Angeklagten festgestellt.
Die PCR-Probe der 46-Jährigen war versehentlich im Labor vernichtet worden. Eine Infektionskette mit der Angeklagten als Auslöserin sei aber nicht eindeutig zu beweisen, hieß es. Sie hatte keinen direkten Kontakt zu den Verstorbenen.
Es ist nicht mehr nachvollziehbar, ob auch noch andere Besucher des Heims im fraglichen Zeitraum unbemerkt mit Corona infiziert waren. Die Besucherlisten sind laut Heimleitung aus Datenschutzgründen wie vorgeschrieben vernichtet worden.
Eine komplette Einstellung des Verfahrens sei nicht in Frage gekommen, sagte der Vorsitzende Richter Philipp Suden.
In einem Heim lebten besonders gefährdete Menschen mit vielen Vorerkrankungen. An einem solchen Ort über die eigene Impfung zu täuschen, wirke schwerwiegender als an anderen Arbeitsstellen. (dpa)
Landgericht Hildesheim, Az.: 26 KLs 17 Js 48585/21