Interview

Das Geheimnis des QM

Mike Peter ist seit Jahren als QM-Auditor in Praxen und Kliniken unterwegs. Im Interview erklärt er, wie QM vom Papiertiger zum echten Steuerungswerkzeug wird - und zwar mit wenig Aufwand.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Nicht nur eine Frage von Akten: Qualitätsmanagement.

Nicht nur eine Frage von Akten: Qualitätsmanagement.

© Christian Jung / fotolia.com

Ärzte Zeitung: Herr Peter, Sie sind innerhalb Ihrer Arbeit als QM-Berater in den Praxen auch als Auditor unterwegs. Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Schwachstellen bei den Praxen in Sachen QM?

Mike Peter: Die größte Schwachstelle liegt darin, dass sehr viele Praxen den Sinn des QM grundsätzlich noch nicht verinnerlicht haben. Dabei lässt sich der ganz einfach mit folgendem Slogan zusammenfassen: "Make good things better".

Wenn man sich das verinnerlichen würde, wäre es für viele Praxen auch leichter, ihr QM mit Leben zu füllen.

Schwachpunkte zeichnen sich aber auch in all jenen Bereichen ab, für die es gesetzliche Anforderungen gibt: zum Beispiel die Hygiene, die Arbeitssicherheit und die Medizinproduktesicherheit.

Ärzte Zeitung: Sind das auch die Punkte, auf die ein externer Prüfer bei der Zertifizierung achtet?

Ein externer Auditor wird sich immer an dem orientieren, was das jeweilige QM-System fordert. Eine Praxis, die nach DIN ISO zertifiziert wird, hat andere Anforderungen zu erfüllen als eine, die sich nach QEP oder KTQ zertifizieren lässt.

Mike Peter

Ausbildung: ausgebildeter Krankenpfleger, lizenzierter KTQ-Trainingspartner, diverse Weiterbildungen im Bereich QM der TQU Ulm

Werdegang: seit 2003 ist Mike Peter als QM-Berater und Auditor für Pflegedienste, Pflegeheime, Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte und Rehakliniken unterwegs; 2005 Gründung der mpP-Group, deren Geschäftsführer Peter ist

Unabhängig davon setzen die Prüfer aber einen zweiten Maßstab an: die gesetzlichen Anforderungen. Und bei Letzteren schauen sie sehr genau hin und sind auch sehr streng in der Bewertung.

Bei den Anforderungen des QM kann man schon einmal darüber diskutieren, wie die Anforderungen auszulegen sind. Bei gesetzlichen Regelungen geht das nicht.

Ärzte Zeitung: Das Thema QM ist für viele Praxen nicht wirklich auf Anhieb greifbar. Mit was sollten QM-Einsteiger starten?

Der wichtigste Schritt ist wirklich der, dass man sich für das QM und für ein bestimmtes QM-System entscheidet und sich vorab informiert und die Systeme vergleicht, um das passende zu finden.

Ich vergleiche das immer mit einem Autokauf: Wenn ich ein Auto kaufen will, schaue ich mir ja auch verschiedene Wagen an und gucke, welcher zu mir passt.Schritt zwei wäre dann, zu schauen, wo man am dringendsten das QM braucht.

Wenn etwa die Terminkoordination in der Praxis ein großes Problem ist, dann sollte die Praxis hier anfangen und den Prozess erfassen und verbessern. Das ist auch das, was am meisten motiviert - wenn ich hinterher sehe, da verändert sich etwas.

Ärzte Zeitung: Den Praxen wird in Seminaren oft versprochen, QM sei einfach und schnell umsetzbar. Mal Hand aufs Herz, wie lange dauert es, ein QM-System in der Praxis zu etablieren?

Das ist schwierig zu sagen. Wenn die Praxisleitung das QM nebenbei laufen lässt, ohne sich zu kümmern, kann es ein Jahr oder länger dauern. Steht sie aber dahinter und betreibt QM aktiv, dann kann die Praxis in einem viertel Jahr fertig sein. Und mit fertig meine ich zertifizierungsreif.

Ärzte Zeitung: Und wie hoch ist der wöchentliche Arbeitseinsatz?

Mit externer Hilfe beträgt der wöchentliche Arbeitseinsatz ca. zwei bis drei Stunden. Wobei viele Praxen oft nur die Kosten für einen Berater sehen und zurückschrecken.

Man sollte aber immer auch gegenrechnen, was es die Praxis kostet, wenn sie eine MFA für längere Zeit fürs QM freistellen muss.

Ärzte Zeitung: Wie schaffen es Praxen, ihr QM nicht nur auf Papier zu haben, sondern auch zu leben?

QM lebt dann, wenn das gesamte Praxisteam auch den Sinn des QM erkannt hat. Dann wird nämlich die Praxisleitung dafür sorgen, dass QM auch regelmäßig in Teambesprechungen ein Thema ist - und dass es überhaupt regelmäßige Teambesprechungen gibt.

Es gibt viele Praxen, die leider viel Zeit damit verschwendet haben, große QM-Papierberge zu produzieren, aber ihr QM anschließend nicht als Steuerungsinstrument für die Praxis nutzen.

Ärzte Zeitung: Macht es denn Sinn eine QMB zu bestimmen, die sich ums Praxis-QM federführend kümmert?

Ja, in jedem Fall. Das ist ja sogar eine Pflicht aus der QM-Richtlinie. Es sollte aber jemand sein, der auch hinter dem QM steht.

Ärzte Zeitung: Worin liegt denn nun der Nutzen des QM für die Praxen?

Das lässt sich in fünf Punkten zusammenfassen: die Zufriedenheit der Patienten nimmt zu, die Patientensicherheit steigt ebenfalls - beides lässt sich übrigens nachweisen und es gibt auch schon Studien, die das belegen -, die Mitarbeitermotivation legt zu und dadurch erhöht sich auch die Zufriedenheit der Praxisleitung - auch weil sich die Abläufe in der Praxis verbessern -, und zu guter letzt werden die Praxen wissen, warum das so ist, weil das Ganze durch QM messbar wird.

Ärzte Zeitung: Sie sagen, QM ist ein wichtiges Steuerungselement für Praxen. Wie lässt sich das erklären? Liegt das nur daran, dass ich plötzlich Prozesse beschreibe?

Es sind nicht nur die Prozesse, sondern vor allem die QM-Ziele, die helfen, die Praxis zu steuern. Viele Ärzte haben noch nicht erkannt, dass sie auch Unternehmer sind und als solche für sich und ihre Praxis Ziele etablieren sollten.

Dabei gilt: Je unsicherer die äußeren Umstände - also je weniger sich voraussehen lässt, was sich die Politik und Kassen künftig einfallen lassen - umso wichtiger sind interne Ziele.

Ärzte Zeitung: Aber wie legen Praxen solche Ziele ganz konkret fest?

Man kann sich erst einmal einzelne Punkte herausgreifen. Etwa indem man für sich entscheidet, sich des Themas Fehler- und Beinahefehler anzunehmen.

Man definiert einfach mal die häufigsten Fehler - das kann man über ein viertel Jahr in der Praxis beobachten - und setzt eine Zahl dahinter.

Man kann auch genau definieren, um wie viel Prozent man Präventionsleistungen oder IGeL steigern will. Dahinter sollte man sich genaue Kennzahlen legen. Dann kann man nach einem Jahr schauen, was habe ich erreicht.

Ärzte Zeitung: Sie bereiten Praxen ganz gezielt auf die Zertifizierung vor. Worin liegt der Reiz für Praxen, diesen zusätzlichen Schritt zu gehen?

Viele Praxen betrachten das Zertifikat als Marketingaspekt. Da sehe ich nun weniger Sinn drin, denn woher sollen etwa Patienten wissen, welche Anforderungen hinter welchem QM-System stecken.

Der andere Grund ist, dass man im Prozess hin zum QM sehr viel bewegt hat und diese Leistung nun auch von außen bestätigt haben will. Das motiviert.

Und man hat noch einmal jemanden, der mit einem ganz anderen Blick durch die Praxis geht und einem noch vorhandene Schwachstellen aufzeigen kann. Das halte ich für sehr gut.

Ärzte Zeitung: Gibt es auch Ärzte, die sich vorrangig deshalb zertifizieren lassen, weil sie glauben, die Kassen fordern das ohnehin in Zukunft?

Da halte ich die Ärzte für sehr restriktiv. Es ist noch keine Pflicht, also machen sie es größtenteils auch nicht. Das ist ja auch in Ordnung so.

Ärzte Zeitung: Wie stehen Sie zu selbst gestrickten QM-Systemen?

Ich glaube, die Praxis fährt besser damit, sich an einem bestehenden QM-System entlang zu hangeln. Denn die Schwierigkeit bei selbst gestrickten Systemen liegt ja darin, zu klären, wo fange ich an und wo höre ich auf?

Fertige Systeme bieten da strukturierte Fragenkataloge. Grundsätzlich kann sich die Praxis ja auch am QM-Katalog der GBA-Richtlinie orientieren.

Ärzte Zeitung: Sie begleiten auch Kliniken zum QM - sind die Schwachstellen hier andere? Oder unterscheiden sich Praxen und Kliniken hier gar nicht so sehr?

Die Schwachstellen sind im Grunde die gleichen. Kliniken haben natürlich einen anderen Druck was die gesetzlichen Vorgaben anbelangt. Daher sind solche Dinge dort oft schon geregelt.

Und sie verfügen auch über ganz andere Mittel, können also einen Mitarbeiter für bestimmte Bereiche - etwa die Hygiene - komplett abstellen. Aber geht es um den Nutzen des QM, haben viele Kliniken dasselbe Problem wie die Praxen.

Viele Mitarbeiter wissen da gar nicht, was in Sachen QM läuft und warum. Und auch nicht alle Standards, die Kliniken schon etabliert haben, laufen immer.

Das Aufgabenspektrum der QM-Beauftragten

Laut der QM-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) müssen Praxen eine QM-Beauftragte benennen. Diese trägt Sorge für den Aufbau und kontinuierlichen Verbesserungsprozess des Praxis-QM. In ihren Aufgabenbereich fallen daher auch die Überprüfung der Wirksamkeit des QM mit Hilfe von Kennzahlen und die Pflege des QM-Handbuchs. Außerdem ist sie in der Regel für die Planung der jährlichen Selbstbewertung zuständig. Und sie sollte im Team an wichtige Aktivitäten wie Fort- und Weiterbildung, aber auch an vorgeschriebene Schulungen etwa zur Hygiene erinnern.

Daten und Fakten

Bei der letzten großen KBV-Statistik zum Stand des QM in Vertragsarztpraxen zeigte sich: Gerade einmal 0,7 Prozent der Ärzte, die in die Stichprobenprüfung der KVen kamen, hatten sich noch gar nicht mit dem Thema QM beschäftigt. Dabei beruhte die Statistik, die 2011 erschien, auf den Daten der Stichprobenprüfungen in 2010. 49,6 Prozent der Vertragsärzte befanden sich damals in der Phase der Weiterentwicklung, 18,6 Prozent waren - 2010 Richtlinien-konform - mit der Überprüfung ihres QM beschäftigt. Etwas mehr als ein Fünftel beschäftigte sich noch mit der Umsetzung des QM und nur 8,7 Prozent hatten erst mit der Planung ihres QM begonnen.

An diesen QM-Zeitplan müssen sich Praxen halten

In Kraft ist die QM-Pflicht seit Januar 2006. Für alle Ärzte, die vor diesem Stichtag bereits niedergelassen waren, galt folgender Zeitplan: Innerhalb von zwei Jahren (also bis Ende 2007) sollten sie ein QM einführen, in noch einmal zwei Jahren sollten sie es zum Laufen bringen (bis Ende 2009) und ein weiteres Jahr später (2010) sollte die Selbstbewertungs- und Weiterentwicklungsphase starten. Das heißt, die Mehrheit der Vertragsärzte müsste bereits ein laufendes Praxis-QM haben. Für alle Ärzte, die sich später niedergelassen haben oder noch niederlassen, laufen die Fristen vom Zeitpunkt der Niederlassung an.

So prüft die KV den QM-Status in den Praxen

2,5 Prozent der Vertragsarztpraxen werden jährlich von den KVen in Sachen QM geprüft. Da die Praxen im Rahmen einer Zufallsstichprobe ausgewählt werden, weiß man vorher nicht, wen es trifft. Aber: Die KVen schicken keine Prüfer in die Praxen. Sie fordern die Praxisteams lediglich auf, einen Fragebogen zum Stand des QM auszufüllen . Wer will, kann auch - falls vorhanden- sein QM-Zertifikat mitschicken.

QM-Check im Schnellverfahren

Checklisten sind ein wichtiges QM-Instrument und auch noch einfach umsetzbar. Lassen Sie einfach zwei, drei MFA die wichtigsten Schritte eines Prozesses notieren. Anschließend werden die Listen abgeglichen und die Kernpunkte zusammengefasst.

Mehr zum Thema

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie Hausärzte Fortbildung jetzt „feiern“

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

Neuer Hoffnungsträger

Homotaurin-Prodrug bremst Alzheimer

Lesetipps
Schwere Infektionen mit Antibiotika richtig behandeln: Behandlungsmythen, die so nicht stimmen.

© bukhta79 / stock.adobe.com

Richtig handeln bei Infektionen

Drei Mythen bei der Antibiotika-Therapie auf dem Prüfstand