Digitalisierung

Fachtagung: Datenschützer sind nicht per se die Verhinderer

Die Rolle des Datenschutzes in der Medizin wird oft zu negativ gesehen. Die fehlende Interoperabilität oder die Nutzbarmachung von Daten seien oft viel größere Hürden, hieß es auf einer Fachtagung.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

Dortmund. Bei der digitalen Weiterentwicklung des Gesundheitswesens haben die Datenschützer oft die Rolle der Buhmänner. Damit tut man ihnen Unrecht, findet der Medizininformatiker Professor Thomas Jäschke. „Wir haben gegen Windmühlen zu kämpfen in unserer Branche“, so Jäschke bei einer Veranstaltung der Datatree AG in Dortmund. Von allen Seiten gebe es Kritik: „Entweder man verhindert alles, oder man tut nicht genug.“

Datatree ist spezialisiert auf Beratung in den Bereich Datenschutz und Informationssicherheit, Jäschke ist Vorstand des Unternehmens. Die Datenschutzbeauftragten seien nicht nur Kontrolleure, betonte er. „Sie sind auch Möglichmacher, Berater und Gestalter.“ Manchmal reagierten sie aber auch überzogen, räumte er ein.

Datenschutz und Informationssicherheit sind in seinen Augen die Stützpfeiler der Digitalisierung. „Ohne sie kann Digitalisierung nicht gelingen.“ Wichtig für die Digitalisierung und Technologien wie die Künstliche Intelligenz seien strukturierte Daten und eine gewisse Datenqualität. Ein großes Problem sei die Verfügbarkeit der Daten. „Alle meckern über den Datenschutz, was fehlt, ist die Interoperabilität“, so Jäschke.

Finanzmittel werden falsch eingesetzt

Das Krankenhauszukunftsgesetz gehe mit den zusätzlichen Finanzmitteln für die Digitalisierung der Kliniken in die richtige Richtung. „Aber das Geld wird falsch eingesetzt.“ Zwar müssten die Häuser die Interoperabilität berücksichtigen, aber im Gesetz sei weder geregelt, in welchem Umfang das geschehen soll, noch gebe es eine Referenzliste um zu prüfen, ob die Mittel richtig eingesetzt werden. „Das ist die erste Hürde, nicht der Datenschutz.“

Auch in der Forschung scheitern Projekte in der Regel nicht am Datenschutz, berichtete Bertram Raum, ehemaliger Leiter des Fachreferates Gesundheit beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Nur selten legten Datenschützer ein Veto ein. In 90 Prozent der Fälle zeigten sie zwar auf, was nicht möglich ist, aber gleichzeitig auch, wie ein Vorhaben funktionieren könne.

Koordinierter Zugang zu Forschungsdaten ist wichtig

Ein Problem für viele Forschende sei, dass sie nicht wissen, wo sich welche Daten befinden. Raum hält die Einrichtung einer Bundes-Koordinierungsstelle für Forschungsdaten für sinnvoll, wie sie Louisa Specht-Riemenschneider, Professorin für Bürgerliches Recht, Informations- und Datenschutzrecht an der Universität Bonn vorgeschlagen hat. Eine solche Stelle könnte prüfen, ob ein Antrag auf Zugang zu Daten berechtigt. „Ich glaube, es wäre ein deutlicher Fortschritt, wenn von amtlicher Stelle jemand sagt, das ist in Ordnung oder das geht nicht“, erläuterte Raum.

Die Medizininformatik-Initiative (MII) des Bundesforschungsministeriums zeigt nach Ansicht von Dr. Johannes Drepper, wie die Datenweitergabe zu Forschungszwecken bereits heue funktionieren kann. Die MII setzt auf das Modell des Broad Consent als standardisierter Einwilligung der Patienten in die standortübergreifende Nutzung ihrer Daten. Drepper ist bei der TMF – Technologie und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung verantwortlich für die Bereiche Datenschutz, IT und Qualitätsmanagement.

Breiter Konsens braucht Zeit

„Innerhalb der beteiligten Stellen läuft die Nutzung schon“, berichtete er. Langfristig soll das Konzept auch für Forscher außerhalb der MII geöffnet werden. Die Abstimmung des Broad Consent mit den Datenschutzbehörden und den Ethikkommissionen hat zwei Jahre gedauert. Das ist ein Nachteil, räumte er ein. „Das ist nur für große Infrastrukturen nutzbar und machbar.“

Sowohl die Politik als auch die Industrie hätten ein Interesse daran, dass die sehr fragmentierten Datenbestände im Gesundheitswesen besser genutzt werden können, sagte Anja Burmann, stellvertretende Leiterin der Abteilung Healthcare am Fraunhofer-Institut für Software und Systemtechnik. Treuhänder-Modelle könnten eine Möglichkeit sein, den internen und externen Datenaustausch zu fördern.

Treuhänder gegen das Macht-Ungleichgewicht

Die Treuhänder seien unabhängige Vermittler zwischen Datengebern und Datennutzern. Als Vertrauensinstanz sichern sie die Datenzugänge, organisieren die Zugriffe und anonymisieren die Daten. „Die Vision ist, dass Treuhänder ein Macht-Ungleichgewicht ausgleichen können“, erläuterte Burmann. Der Ethikrat habe sich für die Etablierung von Treuhand-Modellen ausgesprochen.

Mit Treuhand-Modellen arbeiten laut Burmann beispielsweise schon das Forschungsdatenportal Gesundheit der Medizininformatik-Initiative, das Forschungsdatenzentrum Gesundheit des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, die Gesundheitsdatenplattform Honic sowie die Unabhängige Treuhandstelle der Universitätsmedizin Greifswald.

Ihr Newsletter zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Kommentare
Carl Billmann, Leiter der Stabsstelle IT, Marketing & Kommunikation bei BillmaMED, Medizinstudent mit dem Berufsziel Dermatologe.

© Doctolib

Interview

„Am Empfang haben wir Stress rausgenommen“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Die Patientin tippt ihre Nachricht ins Smartphone, das Praxisteam antwortet direkt über
den Desktop. So sind Vereinbarungen über ein E-Rezept oder eine Befundmitteilung vom Facharzt schnell übermittelt.

© [M] Springer Medizin Verlag | Foto: A_B_C / stock.adobe .com

Digitale Patientenkommunikation

„Das Potenzial für die Zeitersparnis ist riesig“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
KI-Einsatz mit Robotern im Krankenhaus oder in der ambulanten Pflege? In Deutschland noch schwer vorstellbar. Aber vielleicht ist das dieZukunft. Ein Feld auch für die Geldanlage.

© sirisakboakaew / stock.adobe.com

Interview zum Thema Geldanlage

KI für Anleger: „Ich sollte verstehen, in was ich investiere“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Deutscher Apotheker- und Ärztebank
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Anwendungsbeobachtung in deutschen Praxen

Wofür Hausärzte den CRP-Schnelltest primär nutzen

Point-of-Care-Testung

Die geplante Honorar-Absenkung bei den HbA1c-Tests trifft Diabetologen hart

Kooperation | In Kooperation mit: den Akkreditierten Laboren in der Medizin ALM e.V.
Lesetipps
Test auf altersbedingte Makuladegeneration (AMD): Demenzmedikamente können möglicherweise vor der Entwicklung bestimmter AMD-Typen schützen. (Symbolbild mit Fotomodell)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Makuladegeneration

Demenzmedikamente: Keine Unterschiede im AMD-Risiko