Kommentar

Die Macht der Anwender

Kaum ein Digitalgesetz, das nicht auch die Verbesserung der Interoperabilität der Systeme zum Ziel hatte. Bisher sind die Bemühungen offenbar nicht zielführend gewesen.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Die Macht der Anwender

© Stephan Thomaier

Puzzle-Fans, die sich schon einmal an einem 1500-Teile-Puzzle versucht haben, kennen das zur Genüge: Die Suche nach den letzten Randstücken, die zusammenpassen, um das Bild auf dem Tisch langsam vervollständigen zu können, ist häufiger sehr zeitraubend. Und die Randstücke sind natürlich immer erst der Anfang.

Ähnlich geht es schon seit Jahrzehnten IT-Anwendern im Gesundheitswesen. Immer noch gibt es weit über 100 Praxissysteme, deren Anbieter durchaus Interessen haben, nicht für alle anderen offen zu sein.

Ärztinnen und Ärzte, die die Systeme nutzen, benötigen Verbindungsstücke – Schnittstellen –, um sich mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen zu vernetzen. Das Spiel gleicht einer Sisyphos-Arbeit – denn sobald eine neue Systemgeneration kommt, beginnt für die Entwickler die Arbeit mehr oder weniger von vorne. So sind die alten durchaus funktionierenden xDT-Schnittstellen, die zum Beispiel für die Kassenabrechnung oder für die Labordatenübertragung entwickelt wurden, weitgehend obsolet geworden.

Selbst bei den KIM-Systemen hakt es manchmal

Durch gesetzliche Vorgaben ist seit dem E-Health-Gesetz noch unter dem früheren Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) immer wieder versucht worden, die Interoperabilität der Systeme zu verbessern, und in Teilen ist das auch hier und da gelungen. Doch das Problem ist immer wieder spürbar. Die Verordnung von Interoperabilität via Gesetzgeber ist ein diffiziles Geschäft.

Selbst die unterschiedlichen KIM-Systeme scheinen nicht gleich in jeder Konstellation zueinander gepasst zu haben, obwohl doch die Voraussetzungen für den Marktzugang genau die Interoperabilität der Software der unterschiedlichen Anbieter war.

Woran es dann hängt, wenn mal wieder Sand im Getriebe ist, wissen manchmal selbst IT-Servicekräfte der Hersteller nicht, davon weiß mancher Arzt ein Lied zu singen. Es ist wie ein kleinteiliges dreidimensionales Puzzle, bei dem zudem nicht alle Spieler mit den gleichen Zielen am Tisch sitzen.

Spahns letzter Versuch

Jetzt hat Minister Jens Spahn mit dem Entwurf zur Gesundheits-IT-Interoperabilitäts-Governance-Verordnung (GIGV) kurz vor Schluss der Legislaturperiode noch einmal nachgelegt, um den reibungslosen Informationsaustausch verbessern zu helfen. Doch wird die geplante Wissensplattform den entscheidenden Durchbruch bringen?

Ein kleines Beispiel mag zeigen, was auch helfen kann: Laborbefunde in die Patientenkartei zu übernehmen – das ist längst Standard. Die Anwendung läuft selbstverständlich, weil Praxen kein System kaufen würden, das diese Funktionalität nicht bieten würde.

Und damit fällt das Schlaglicht auf einen weiteren Hauptakteur in diesem Markt: Am Ende entscheiden die Anwender über die Interoperabilität – also diejenigen, die eigentlich auch den größten Leidensdruck verspüren. Wenn das Zusammenspiel der Systeme ihnen wichtig ist, dann scheiden die Unternehmen, die das nicht bieten können, aus dem Markt aus. Dieser Macht sollten sich die Ärzte eher bewusst sein, das würde manches ändern.

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Kommentare
Christian Steuber 19.08.202108:54 Uhr

Jein: Es stimmt zwar, dass die Macht der Anwender etwas ändern könnte. ABer auf der anderen Seite ist unser ärztliches Kerngeschäft doch die Medizin und nicht die digitale Vernetzung. Wir können uns doch nicht noch um solche Dinge kümmern. Wie groß ist wohl der Anteil der Kolleginnen und Kollegen, die überhaupt verstehen, was mit einer einheitlichen Schnittstelle gemeint ist, geschweige denn die verschiedenen Standards und Formate kennen. Am Ende zählen dann doch mehr die monatlichen Kosten als die interoperabilität. Es könnte am ehesten eine Aufgabe der berufständischen Vertretungen, sich hier für eine transparentere Situation einzusetzen, zB im Sinne einer Bewertung verschiedener AIS nach solchen Kriterien, wie interoperabilität.
Erschreckend ist vor allem, wieviel Geld für diesen Bereich in den Sand gesetzt wird im Vergleich zu den eigentlichen Gesundheitskosten... ohne dass dadurch ein Mensch "geheilt" wurde.

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